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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Zeugnisse erhalten; einmal aber habe ich doch einen Fehler gemacht; er ist zwar nun abgebüßt, aber wenn ich jetzt zu Einem komme, so fragt er mich nach dem Zeugnisse. Da muß ich hier dieses vorlegen. Es lautet zwar gut, daß ich mich während meiner Gefangenschaft gut geführt habe und deshalb dem Unterstützungsvereine empfohlen werde, aber das Vorurtheil gegen Unsereinen ist nun einmal vorhanden. Da ist es besser, man wendet sich an einen Agenten; der kennt die Herrschaften und weiß doch vielleicht einen Herrn, der es mit Einem versuchen würde.«
    Der Agent las den Meldeschein und das Zeugniß durch. Es zuckte dabei Etwas über sein Gesicht, dann sagte er.
    »Ah! Also in Brückenau waren Sie gefangen?«
    »Ja.«
    »Und erst vorgestern wurden Sie entlassen?«
    »Ja.«
    »Warum sind Sie denn nach der Residenz gekommen?«
    »Eigentlich sollte ich das nicht sagen, aber Sie sind ja verschwiegen. Es hat mir einer der dortigen Gefangenen einen Auftrag für die Residenz anvertraut.«
    »Ach so. Wer ist der Mann?«
    »Hm. Das darf ich nun freilich nicht sagen.«
    »Schön! Geht mich ja auch nichts an. Aber wie haben Sie denn diesen Auftrag erhalten können? Ich denke, die Gefangenen dürfen gar nicht mit einander sprechen?«
    »Eigentlich nicht, aber weil ich mich gut geführt hatte und weil einer der Zellenwärter krank geworden war, durfte ich beim Reinigen der Zellen und beim Ausspeisen mit helfen. Da ist es leicht, einige vertrauliche Worte zu wechseln.«
    »Letzthin las ich von einem Schmiede, der dort gefangen ist.«
    »Wohl Wolf aus Tannenstein?«
    »Ja.«
    »Der ist dort und sein Sohn auch.«
    »Haben Sie vielleicht mit ihm gesprochen?«
    »Mit allen Beiden.«
    »Sind sie geständig?«
    »Nein, sie leugnen. Und – im Vertrauen gesagt – sie sind es, welche mir den erwähnten Auftrag gegeben haben.«
    »Wirklich? Da möchte ich doch wissen, an wen. Dürfen Sie denn nicht davon sprechen?«
    »Nein.«
    »Aber Sie kennen die Person, an welche Sie gewiesen sind.«
    »Eben nicht. Es scheint eine sehr geheimnißvolle Person zu sein, und ich weiß wirklich nicht, wie ich sie auffinden soll. Es ist mir ein Ort angegeben worden; aber dort wohnt ja gar kein Mensch.«
    Da beugte sich der Agent zu ihm nieder und flüsterte ihm zu:
    »Etwa Ecke der Mauerstraße in dem Gartenhause?«
    Der Polizist fuhr in scheinbarer Ueberraschung zurück und sagte:
    »Kennen Sie dieses Haus?«
    »Ja. Nicht wahr, es wurde Ihnen genannt?«
    »Ja. Ich bin wiederholt dort gewesen; aber es ist verschlossen.«
    »Dann ist es sehr gut, daß Sie mich gefunden haben. Ich will Ihnen nun auch sagen, an wen Sie gewiesen sind.«
    »O, das können Sie nicht!«
    »Und doch! Nicht wahr, Sie sollen den – Hauptmann aufsuchen?«
    »Sapperment! Sie wissen es wirklich!«
    »Sehen Sie!«
    »Aber Sie kennen den Hauptmann nicht?«
    »Das ist eine Sache, welche die größte Vorsicht erfordert! Nun, ich will Ihnen aufrichtig sagen, daß ich kein Verräther bin. Die beiden Schmiede haben mir sehr gute Worte gegeben; sie haben mir gesagt, daß ich vom Hauptmann eine sehr anständige Belohnung erhalten werde, und da ich arm bin, so habe ich den Auftrag übernommen.«
    »Wie lautet denn dieser Auftrag?«
    »Das darf ich eben nur dem Hauptmanne sagen.«
    »Schön! Sie sind verschwiegen; das freut mich. Wissen Sie, ich will – ah, da kommt ein Bekannter von mir.«
    Es war nämlich soeben ein junger Mensch eingetreten, welcher sich erst umblickte und dann sich ihrem Tische näherte. Als der Agent ihm zunickte, setzte er sich zu ihnen und ließ sich auch ein Glas Wein geben.
    »Dieser Herr ist nämlich Austräger bei einem hiesigen Juwelier,« erklärte der Agent. »Er pflegt seinen Frühschoppen hier zu trinken, wobei wir uns zuweilen treffen.«
    Jetzt setzte er das Glas an den Mund und blinzelte dabei dem Austräger zu, daß er vorsichtig sein solle. Adolf that, als ob er nichts bemerkt habe, war aber überzeugt, daß dieser junge Mensch auch ein Untergebener des Hauptmannes sei.
    »Wie geht denn Euer Geschäft?« fragte der Agent.
    »Sehr gut!« lautete die Antwort. »Wir hatten eben jetzt eine Arbeit wie noch selten. Die Starton ließ Einiges ändern.«
    »Die amerikanische Tänzerin?«
    »Ja. Sie ließ den Prinzipal zu sich in das Hotel kommen. Als er zurückkam, sprach er mit dem ersten Gehilfen, und ich hörte da, daß er ganz außer sich war über die Reichthümer, welche die Amerikanerin in Pretiosen angelegt habe. Der Werth soll Millionen

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