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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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an der nächsten Ecke angehalten, so kam ein langer, hagerer Türke angestiegen.
    »Ich bin’s!« sagte er.
    »Steigen Sie ein!«
    »Wollen Sie mich nicht vorher einmal mustern?«
    »Das wird die betreffende Dame thun.«
    »Ganz nach Befehl.«
    Kurze Zeit später lud er die männliche Kleopatra am Bellevue ab. Sie wurde von dem Wirthe empfangen und nach der ersten Etage geführt.
    »Ist die Dame bereits da?«
    »Schon längst.«
    »O weh! Sie wird zornig sein.«
    »O nein. Sie ist von sehr sanftem Character. Bitte, treten Sie gefälligst hier ein.«
    Herr Arthur erhob sich respectvoll. Beide begrüßten sich durch eine beiderseits sehr tiefe und ehrerbietige Verneigung. Dann fragte der Balletmeister mit flüsternder Stimme:»Bitte, Sie wünschen doch, von Fremden nicht beobachtet zu werden?«
    »Ja, gewiß!« antwortete Kleopatra.
    »Dann dürfen wir nur sehr leise sprechen.«
    »Warum?«
    »Im Nebenzimmer speisen allerhöchste Herrschaften.«
    »Ich denke, Euer Gnaden sind –«
    Sie hielt mitten in der Rede inne. Drüben hatte soeben der Wirth mit lauter Stimme gesagt: »So, meine Herrschaften, das war das Ende des Desserts. Befehlen Sie noch etwas?«
    »Nein. Wir haben genug. Lassen Sie uns jetzt allein und kommen Sie nicht eher, als bis Sie gerufen werden.«
    Diese Stimme kam Kleopatra wunderbar bekannt vor. Sie fuhr dann in zärtlichem Tone fort: »Jetzt, meine Süße, sind wir allein. Laß Dich umarmen!«
    »Darf ich fragen, ob wir beginnen wollen?« flüsterte jetzt der als Dame verkleidete Arthur.
    »Ich stehe zu Diensten, gnädiges Fräulein.«
    »O nein, nicht Sie, sondern ich, Hoheit.«
    »Königliche Gnaden scherzen. Ich ersterbe in Ehrfurcht, mich Hochdero Befehlen gehorsamst –«
    Wieder hielt sie inne. Drüben knackte ein Sopha, und dann sagte die bekannte Stimme: »Also, den Regenmantel ausziehen!«
    »Nicht doch!« antwortete eine weibliche.
    »Bitte, bitte! Wollen Sie sich zieren?«
    »Wenn Jemand kommt!«
    »Kein Mensch kommt! Die Maske will ich jetzt noch dulden, aber der Mantel muß weg.«
    »Aber Ihre Frau Gemahlin!«
    »Ist ein Drache!«
    »Das finde ich nicht.«
    »Nun, ich dächte, Sie hätten es bemerken müssen, als sie uns so unerwartet beim Küssen störte. Mit welcher Verachtung Sie sich da behandeln lassen mußten! Bitte, bitte, einen Kuß!«
    Man hörte das Geräusch einiger schallender Küsse. Herr Arthur dachte im stillen: »Sapperment, ist das eine fatale Lage. Meine allerhöchste Dame darf von solchen Sachen doch nichts hören, und mir fällt aber auch nichts ein, was ich thun könnte, dieses Volk da drüben zur Vernunft zu bringen.«
    Und flüsternd fügte er hinzu:
    »Wie wünschen Sie das Portrait?«
    »Ganz nach Dero Befehl. Doch mit dem Säbel in der Hand?«
    »Säbel?« fragte er.
    »Ich glaube Euer Hoheit Gesandten recht verstanden zu haben, als er von Säbel, Dolch und Pistolen sprach.«
    »Meine liebe, herrliche Leda!« erklang es drüben.
    »Süßer Léon,« antwortete es.
    »Liebst Du mich?«
    »Wie mein Leben. Ich könnte auf Deine Frau eifersüchtig sein, wie Othello.«
    »Auf diese? Pah! Ich nahm sie nur des Geldes wegen.«
    Da richtete sich Kleopatra in eine begierig horchende Stellung auf.
    »Komm, küsse mich, Leda!« hörte man drüben.
    »Ja, komm mein Léon, mein süßer Staudigel!«
    Ein breites Klatschen ließ vermuthen, daß da drüben mit Absicht so laut geküßt wurde. Aber in diesem Augenblicke stand auch Kleopatra an der Thür, welche die beiden Zimmer verband. Ein Griff, ein Druck, und sie flog auf. Sie war nicht verriegelt gewesen.
    Auf dem Sopha saß Herr Staudigel, ohne Maske. Auf seinem Schooße saß ein üppiges Frauenzimmer in Tricots, mit Maske. Beide in innigster Umarmung.
    »Herr, mein Gott! Mensch, was fällt Dir ein!« zeterte Kleopatra.
    Staudigel fuhr empor und antwortete zornig:
    »Herr, was wollen Sie hier? Was haben Sie in diesem Zimmer zu suchen, he?«
    »Das will ich Dir gleich zeigen! Kennst Du mich?«
    Sie riß ihre Maske herab. Er fuhr ganz entsetzt zurück, er konnte keinen Laut von sich geben.
    »Welch eine Ueberraschung!« schrie sie. »Du hier mit der Leda! In diesem Aufzuge! Auf diesem Sopha! Also deshalb hattest Du so lange Zeit zu thun!«
    Nun folgte eine Flut von Verwünschungen, eine Eruption glühendster Eifersucht, welche gar nicht zu beschreiben ist. Er hörte ganz ruhig zu. Endlich aber fragte er sie doch: »Wie aber kommst Du hierher? In diesem Aufzuge?«
    »Ich? Ich bin herbefohlen worden durch Hoheit, welche die

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