Der verlorne Sohn
Dich nicht!«
»Pah! Wenn ich mein schönes Geld immer und immer wieder für Dich hinauszuwerfen habe, will ich auch endlich einmal wissen, in wessen Rachen es fliegt. Und das habe ich gesehen.«
»Du hast den Brief also wirklich gelesen?«
»Ja.«
»Schändlich!«
»Pah!« sagte der Director kalt. »Nenne es, wie Du willst; ich weiß doch nun, woran ich bin. Hier ist er.«
Er gab dem Neffen den Brief. Dieser steckte ihn ein.
»O nein! Lies ihn nur durch!«
»Später.«
»Nein, sondern jetzt. Ich habe mit Dir über den Inhalt zu sprechen. Er ist ja ungemein interessant.«
Der Lieutenant zog den Brief wieder hervor und las:
»Mein einzig geliebter Bruno.
Ich bin jetzt hier in der Residenz –«
»Alle Teufel! In der Residenz!« entfuhr es ihm.
»Du wußtest wirklich nichts davon?«
»Nein.«
»Hast auch nichts über sie gelesen?«
»Nein. Ich lese nur die politischen Berichte.«
»Aber man spricht doch allgemein von ihr!«
»Mit wem bin ich dieser Tage hier verkehrt? Ich lebe ja bei Dir so eingezogen, wie ein neutestamentlicher Eremit!«
»Ich wußte, daß diese Leda mit einer amerikanischen Künstlerin um die Wette tanzen werde. Lies weiter!«
Der Brief lautete also:
»Mein einzig geliebter Bruno.
Ich bin jetzt hier in der Residenz, ohne Dir von dieser Ortsveränderung Nachricht gegeben zu haben. Ich wollte Dich mit meinem Engagement freudig überraschen. Morgen werde ich die jedenfalls siegreiche Probe bestehen.
Heute nun begegnete mir unglücklicher Weise dieser Zuchthäusler Petermann. Er redete mich an; ich suchte ihn abzuschütteln; aber er war so frech, mich in meiner Wohnung zu überraschen. Er fragte nach meinen Verhältnissen, nach Dir, nach unserem Kinde. Er sprach von damals und spielte auf jene fünftausend Gulden an. Ich glaube, er sinnt auf Rache. Da ich nun soeben Deinen gegenwärtigen, vorübergehenden Aufenthalt erfahre, so gebe ich Dir die nothwendige Nachricht. Komm zu mir, damit wir besprechen können, wie wir uns gegen diesen Mann zu verhalten haben. Wir werden wieder herrliche und glückliche Tage verleben, denn ich war, bin und verbleibe bis an’s Ende DeineEditha.«
Der Lieutenant starrte lange, lange Zeit rathlos auf diesen unheilvollen Brief. Eine größere Dummheit hatte die Leda nicht machen können, als ihm zu schreiben und den Brief hierher zu senden. Es war ja nun, wenn auch nicht Alles, aber doch viel, sehr viel verrathen.
»Nun,« fragte der Oheim, »was sagst Du dazu?«
»Dieses Frauenzimmer ist Prügel werth!«
»Nicht wahr? Mir hat ihr Brief die Augen geöffnet. Du, ein Scharfenberg, heimlich mit einer Tänzerin verheirathet!«
»Verhei – – bist Du bei Sinnen!«
»Etwa nicht verheirathet?«
»Nein.«
»Aber sie spricht ja von einem Kinde?«
»Das ist – das ist –«
Er hielt stockend inne. Er wußte vor Verlegenheit gar nicht, was er jetzt sagen solle.
»Ein uneheliches Kind?« fragte der Director.
»Ja.«
»Was bist Du für ein Mensch! Wo hast Du sie denn eigentlich kennen gelernt?«
»In meiner Garnison.«
»Sie war bereits damals Tänzerin?«
»Ja.«
»Wo hat sie geboren?«
»In – in Paris,« log er.
»So ging sie von dort weg nach Frankreich?«
»Ja, um sich weiter auszubilden.«
»Was ist es für ein Kind?«
»Ein Mädchen.«
»Wie alt?«
»Etwas über vier Jahre.«
»Natürlich bezahlst Du die Erziehung?«
»Ja.«
»Was aber weiß denn Petermann über diese Verhältnisse?«
»Er war zufälliger Weise hinter unser Geheimniß gekommen.«
»Was meint sie denn mit seiner Rache?«
»Daß er unsere frühere Bekanntschaft verrathen werde.«
»Hm! Hierbei giebt es doch noch einen dunklen Punkt. Wofür soll er sich rächen?«
»Sie meint wohl dafür, daß der Vater damals so streng und ohne Nachsicht gegen ihn gehandelt hat.«
Der Director schüttelte leise und ungläubig den Kopf.
»Hm! Hm!« brummte er nachdenklich. »Sie spricht erst von den fünftausend Gulden und dann von der Rache. Sie ist jedenfalls mittellos gewesen, und Ihr habt, weil sie nach Paris mußte, Geld gebraucht –«
»Onkel!« rief der Lieutenant drohend.
»Oho! Willst Du mir gebieten, meine Gedanken zu unterdrücken, deren einziger Herr doch nur ich bin?«
»Denke, was Du willst! Aber solche Gedanken mir gegenüber auszusprechen, das muß ich mir verbitten!«
Der Neffe schien die Hoffnung zu haben, durch ein so sicheres Auftreten seinem Onkel zu imponiren. Dieser aber antwortete: »Verbitten? Dieses Wort sagst Du mir,
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