Der verlorne Sohn
»Habe ich nicht gehabt Recht, Herr Lieutenant?«
»Schweig! Also, zu welchen Concessionen bist Du bereit?«
»Zwölfhundert Gulden stehen hier. Wie lange Frist will haben der Herr Lieutenant?«
»Eine Woche.«
»Nein, das geht nicht an.«
»Warum nicht?«
»Ich brauche das Geld eher.«
»So bestimme Du die Frist.«
»In drei Tagen.«
»Bis dahin werde ich nicht Rath schaffen können.«
»Hat der Lieutenant nicht noch ein Ehrenwort?«
»Schlingel! Also in drei Tagen?«
»Ja, anders nicht.«
»Und wieviel forderst Du?«
»Hundert Gulden.«
»Hölle und Teufel! Bist Du verrückt?«
»Wie kann Salomon Levi sein verrückt?«
»Rechne Dir doch einmal aus, wieviel Procente das sein würden, auf das Jahr gerechnet.«
»Was geht mich an das Jahr? Ich erhalte das Geld in drei Tagen.«
»Ich kann Dich als Wucherer anzeigen.«
»Das werden Sie nicht thun.«
»Warum nicht?«
»Weil es sonst öffentlich wird, daß der Herr Lieutenant von Scharfenberg nicht eingelöst hat sein Ehrenwort.«
»Ich wollte, Du ersticktest an Deinen schlauen Berechnungen und an Deinem Gelde. Fünfzig Gulden gebe ich.«
»Hundert, nicht weniger. Oder soll ich gehen?«
Er machte eine Bewegung nach der Thür.
»Halt,« sagte da rasch der Offizier. »Ich bin leider einmal in Deiner Hand und muß Dir den Willen thun. Zum zweiten Male geschieht dies aber nicht wieder. Ich gebe hundert!«
»Werden mir geben der Herr Lieutenant ein kleines Sicherheitchen oder Unterschriftchen?«
»Unsinn! Dazu habe ich jetzt nicht Zeit. Ich muß mit dem nächsten Zuge nach der Residenz. Ich gebe Dir mein Wort.«
»Topp?«
Er hielt dem Lieutenant die Hand zum Einschlagen hin.
»Oho! Denkst Du wirklich, daß ein Offizier Dir erst die Hand zu geben hat, ehe Du ihm glaubst?«
»Ist meine Hand voller Schmutz? Nun, so will ich den Herrn Lieutenant nicht zwingen. Aber ohne Handschlag ist auch ungiltig das Geschäft.«
»Du bist ein wirklich ganz und gar ruchloser Bösewicht. Hier ist die Hand. Schlag ein. Topp!«
»Topp! Und da der Herr Lieutenant will auch fahren nach der Hauptstadt, so können wir halten gute Kameradschaft und uns setzen mit einander in ein Coupee.«
»Das schlage Dir nur aus dem Sinn! Geschäfte können wir machen, aber ja keine Kameradschaft. Dazu stinkst Du mir viel zu sehr nach Knoblauch. Mache, daß Du fortkommst!«
Salomon Levi entfernte sich. Er lachte höchst zufrieden in sich hinein, denn er hatte einen mehrfachen Sieg errungen. Später, bevor er in den Waggon vierter Classe stieg, sah er den Lieutenant in ein Coupee erster Classe steigen. Dagegen hatte er gar nichts. Er befand sich an seinem Platze jedenfalls wohler als Scharfenberg auf seinem weichen Polstersitze.
Dieser nahm, auf dem Bahnhofe der Residenz angekommen, eine Droschke und fuhr direct nach Hotel Kronprinz. Er war in Civil und brauchte also keine übermäßige Rücksicht walten zu lassen. Beim Portier erfrug er die Wohnung der Leda, nach welcher er sich begab. Er klopfte, ohne sich anmelden zu lassen, an und trat sogleich ein.
Als die Tänzerin ihn erblickte, stieß sie einen Freudenschrei aus und eilte ihm entgegen.
»Bruno, mein Bruno!«
Sie schlang die Arme um ihn und wollte ihn küssen. Er aber löste ihre Hände von sich, schob sie von sich ab und sagte: »Bitte, keine Comödie! Es ist weder heute die Zeit noch hier der Ort dazu!«
»Comödie?« schmollte die Tänzerin. »Mein Herz treibt mich Dir entgegen, und Du sprichst von Comödie!«
»Sei still! Ich kenne Dich. Wohnst Du allein hier?«
»Mit der Mutter.«
»Wo ist sie?«
»Ausgegangen.«
»Und das Kind?«
»Befindet sich in Paris in Pflege. Oder hast Du vielleicht geglaubt, ich könne es mit auf Kunstreisen nehmen?«
»Nein. Wer wohnt nebenan?«
»Niemand.«
»Wir sind also unbelauscht.«
»Ja.«
»Nun gut, so wollen wir uns gleich ein-für allemal klar werden, damit wir wissen, woran wir mit einander sind.«
»Ich denke, das wissen wir bereits.«
»Ich, aber Du nicht.«
»Wieso?«
»Wüßtest Du es, so hättest Du mir nicht nach Rollenburg geschrieben. Das war eine Unvorsichtigkeit, welche man eigentlich nur einem Wahnsinnigen zutrauen kann.«
»Mein Gott, wie hart Du sprichst! Du weißt, wie innig ich Dich liebe. Ich sehnte mich nach Dir, und da Du nicht anwesend warst, so schrieb ich Dir, zumal mir der Besuch dieses Petermann solche Besorgniß erregte.«
»Aber mußtest Du Dich als Absenderin nennen?«
»Das war ja nothwendig.«
»Warum?«
»Damit der Brief, wenn er
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