Der verlorne Sohn
das Mädchen.
»So kommt? Hagenau, Du machst doch ein kleines Spielchen mit?«
»Habe keine große Lust.«
»Warum nicht?«
»Wer verliert, gewinnt nicht.«
»Donnerwetter! Was für ein geistreicher Einfall!«
»Ja, gewiß! Stammt von mir; meine eigene Erfindung. Na, bin lange Zeit nicht bei Euch gewesen. Wie hoch pointirt Ihr denn jetzt?«
»Das ist verschieden. Gewöhnlich beginnt es niedrig und steigt nach und nach höher.«
»Gerade wie bei den Brennesseln, die wachsen auch! Schon wieder verdammt geistreicher Ausdruck!«
»Also Du machst mit?«
»Habe wirklich keine Lust.«
»Warum nicht?«
»Hm! Scharfenberg!«
Dabei machte Hagenau mit der Hand eine geringschätzende Geste.
»Hast Du etwas gegen ihn?«
»Na! Ist nicht nobel!«
»Pah! Die Scharfenbergs sind ein uraltes Geschlecht.«
»Geschlecht hin, Geschlecht her, er ist nicht nobel. Er verschafft sich sein Geld auf undelicate Weise und wirft es dann unsinnig wieder von sich. Ich gebe auch gern aus; aber ich weiß, was ich einnehme.«
»Na, es ist doch aber kein Unglück, wenn Du ihm einige Gulden abnimmst.«
»Habe aber leider so verdammtes Schwein. Darf nur Würfel oder Karten anrühren, so gewinne ich.«
»Das halte ich nun freilich für keinen Grund, sich vom Spiele auszuschließen. Komm!«
Da wendete sich Hagenau zu ihm und fragte leise:
»Sind denn die Anderen – hm?«
»Du meinst Industrieritter?«
»Ja. Kenne sie ja nicht«
»Alle aus guter Familie. Werde sie Dir vorstellen. Ist ja das Cavaliercasino hier. Zweifelhafte Größen wagen sich da nicht her.«
Und doch war gerade dieses Local von solchen Größen sehr besucht. Es kamen viele Leute, welche vom Spiele lebten oder von, man wußte selbst nicht was.
In kurzer Zeit war das obere Zimmer wieder leer, da sich Alle nach dem Spielsalon begeben hatten. Die Kellnerinnen hielten die Thüre von innen verschlossen, damit die Herren ja nicht von der Polizei überrascht werden konnten.
Nach einer Weile klopfte es an.
»Wer draußen?« fragte eins der Mädchen.
»Scharfenberg.«
»Bitte, kommen Sie!«
Ihm wurde geöffnet. Er trat ein, küßte die Kellnerin, gab ihr einen freundlichen Klapps und fragte:
»So leer? Gar Niemand hier?«
»Alle hinten.«
»Ach so!«
Damit verschwand auch er im Salon.
»Wie viel wird er heute verlieren!« meinte die eine Kellnerin, indem sie den Kopf schüttelte.
»Nicht mehr, als er bei sich hat. Geborgt bekommt er nicht mehr.«
Es kamen noch einige Herren, welche durch dieselbe Thür wieder verschwanden. Es wurde viel Wein getrunken; aber es ging sehr ruhig zu.
Nach und nach begann es, lebhafter zu werden. Die Flaschen wurden schneller leer, und bald konnte man Ausrufe wie »Zweihundert Gulden rechts« und »Fünfhundert links« hören.
»Ah, so hoch ist es noch nie zugegangen,« meinte das eine Mädchen. »Fünfhundert Gulden! Horch, wie man das Geld klingen hört!«
So spielte man durch einige Stunden. Der Wein that immer mehr seine Wirkung. Der Wirth wahrte seinen Vortheil und sandte nun schlechtere Nummern, die heimtückisch wirkten. Die Stimmen wurden immer lauter; es ließen sich Flüche hören, Verwünschungen und Drohungen, die eigentlich nicht in ein Casino gehörten.
Da einmal ließ sich Scharfenberg’s Stimme hören:
»Tausend Gulden in Papier noch einmal!«
Es wurde einige Augenblicke still, dann riefen mehrere Stimmen durch einander.
»Verloren! Abgefallen! Höre auf, Scharfenberg!«
Aber als Antwort auf diesen guten Rath sagte er:
»Abermals tausend Gulden!«
Dann hörte man Einen fragen:
»Sind es wirklich tausend?«
»Ja. Natürlich!«
»Auf Ehre?«
»Auf Ehre!«
»Na, dann braucht man ja nicht erst die Päckchen zu öffnen, um nachzusehen.«
Wieder dauerte es eine Weile, da erklang die Stimme Scharfenbergs:
»Das letzte Tausend auch noch! Hat der Teufel so viel geholt, so mag er auch noch dieses holen! Gebt einmal die volle Bulle her!«
»Donner und Doria! Weiß Gott, er trinkt sie aus, rein aus! Jetzt geht’s los, Scharfenberg! Schau her! Ah! Das letzte Paquet ist zum Teufel, ganz so, wie Du es haben wolltest! Condolire, alter Junge! Fast zehntausend Gulden verloren!«
»Halte das Maul!« antwortete Scharfenberg. »Was mache ich mir daraus, wenn ich diese Kleinigkeit verliere! Wer borgt mir tausend?«
Niemand antwortete.
»Ich frage, wer mir tausend leihen will?«
Ganz dasselbe Schweigen.
»Donnerwetter! Erst nehmt Ihr es mir ab, und dann verweigert Ihr mir den Credit! Hagenau, Du hast viertausend
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