Der verlorne Sohn
welche man mit dem Namen Cavaliercasino zu bezeichnen pflegte.
Sie stiegen die Treppe empor und klingelten an der Vorsaalthüre. Ein Mädchen öffnete. Diese Person war sehr leicht gekleidet und von üppigen Formen, so wie sie von jungen Lebemännern zur Bedienung geliebt werden.
»Guten Abend, Anna!« grüßte der Eine.
»Guten Abend, Herr Lieutenant!« dankte sie, indem sie es duldete, daß er sie in den vollen Arm kniff.
»Bereits Versammlung da?«
»Fast vollzählig.«
»Schön! Komm, Hagenau!«
Der Genannte war jener Oberlieutenant von Hagenau welcher in Rollenburg das unglückliche Rencontre bei der Melitta gehabt hatte.
Sie traten aus dem Corridor zunächst in ein leeres Zimmer, wo sie ablegten. Dann öffneten sie die Thür zu dem nächsten Raume. Dieser war sehr comfortabel eingerichtet. Zehn oder zwölf Gäste saßen da, lauter junge Leute. Sie blickten auf, als die Beiden eintraten. Einer rief: »Donnerwetter! Hagenau! Ist’s wahr?«
»Hagenau, der Kranich?« fragte ein Anderer. »Weiß Gott, er ist’s! Mensch, wer bringt Dich auf den glücklichen Gedanken, nach der Residenz zu kommen?«
»Ich selber!« schnarrte der Lange. »Meine eigene Erfindung! Kinder, habt ihr was zu trinken?«
»Nur Punsch einstweilen.«
»Pfui Teufel! Das ist ein Gesöff für Höckenweiber, aber nicht für Cavaliere. Gebt doch mal da die Weinkarte her!«
Er setzte sich, wählte aus und bestellte. In kurzer Zeit saßen die Herren beim Weine anstatt beim Punsche. Das war so Hagenau’s Eigenthümlichkeit. Er hatte ja Geld, und das war ebenso gut, als ob Andere auch welches hätten.
Eine der Kellnerinnen machte sich an seinem Stuhle zu schaffen. Sie bemerkte seine gestickte und gespickte Börse und mochte ein gutes Trinkgeld ersehnen. Darum lehnte sie sich an seinen Stuhl und legte ihm den Arm um den Nacken. Er drehte sich zu ihr um, sah sie prüfend an und fragte: »Mädel, hast Du Dich gewaschen?«
»Natürlich!«
»So trockne Dich an einem Anderen ab, aber nicht an mir! Verstanden?«
Alles lachte.
»Der Gebrannte fürchtet das Feuer!« stichelte Einer.
»Geht das auf mich?« fragte er.
»Nein, sondern auf die Melitta.«
»Haltet den Schnabel von dieser Aventurie, Kameraden! Das ist eine ganz hundsgemeine Angelegenheit.«
»Wie lange wird sie noch schweben?«
»Das weiß der Teufel! Unterdessen schweben auch wir, nämlich zwischen Hangen und Bangen. Soll mir nie wieder einfallen, eines Mädels wegen eine Flasche Wein zu riskiren.«
»Ist denn der Hausknecht todt?«
»Ja.«
»Und der Andere, der fromme Schuster?«
»Der lebt, der befindet sich ganz wohl, einstweilen aber noch in Nummer Sicher. Wie da der Fürst von Befour dazu kommen konnte, das ist mir auch ein Räthsel. Was hatte der dort zu suchen?«
»Vielleicht hatte er auch von der Venus gehört.«
»Unsinn!«
»Nun, sie wohnt ja bei ihm.«
»Aber mit ihrem Vater. Den hatte er angestellt. Uebrigens, da fällt mir ein: Wißt ihr’s von der Leda?«
»Natürlich! Es steht ja in den Blättern!«
»Oho! Was denn?«
»Daß sie gefangen ist.«
»Ja, das steht wohl darin, nicht aber, warum sie da drinnen steckt.«
»Weißt Du es vielleicht?«
»Auch nicht genau. Aber man munkelt so Allerlei.«
»Behalte es gütigst für Dich! Ich weiß etwas Besseres, was uns weit mehr interessirt.«
»Was denn?«
»Scharfenberg kommt heute.«
»Das glaube ich nicht. Wir haben ihn kürzlich so gerupft, daß er es wohl nicht gleich wieder wagen wird.«
»Er kommt dennoch. Ich weiß es.«
»Wer sagt es?«
»Er selbst. Ich war bei ihm.«
»Dann hat er Geld!«
»O! Und wieviel!«
»Wirklich? Wirklich?«
»Volle zehntausend Gulden sage ich Euch.«
»Mensch, Du bist nicht bei Troste!«
»Ich beschwöre es!«
»Phantasie! Woher soll er zehntausend Gulden haben? Sein Vater honorirt nicht mehr, und sein Onkel hat es nun auch satt.«
»Ich will es Euch mittheilen: Gepumpt.«
»Auch das glaube ich nicht. Wer pumpt ihm noch eine so hohe Summe?«
»Ein gewisser Schönlein.«
»Kenne diesen Namen nicht. Wer ist er?«
»Weiß es nicht. Ich weiß nur, daß Scharfenberg von ihm zehntausend Gulden geborgt hat, dreitausend baar, und das Uebrige in feinen Ausländern.«
»So wird er ein paar Hälse brechen lassen.«
»Nein. Er wird eine Bank legen.«
Da sprangen sie Alle auf, außer Hagenau.
»Ist’s wahr?« fragte es im Kreise.
»Gewiß. Er hat es mir versprochen.«
»Dann rasch in das hintere Zimmer! Es ist doch geheizt?«
»Schon längst,« antwortete
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