Der verlorne Sohn
Sie glauben so fest an die Ungefährlichkeit und das Gelingen derselben.«
»Allerdings. Aber Ihre Gegenwart ist doch unbedingt nothwendig bei der Geschichte.«
»Ganz und gar nicht. Es genügt, wenn Sie mir die beiden Schmiede bringen.«
Da ließ der Agent ein kurzes Lachen hören und sagte:
»Ich verstehe! Sie wittern doch immer noch einige Gefahr und wünschen, daß es nicht Ihr Kopf sei, der in einer etwaigen Schlinge stecken bleibt.«
»Nun, ich will das nicht ableugnen.«
»Das ist sehr aufrichtig. Also ich soll meinen Kopf in diese gefürchtete Schlinge stecken?«
»Hm! Sie glauben ja eben an keine Gefahr!«
»Das habe ich gesagt, und das ist auch richtig. Aber allwissend bin ich nicht, und bei Gott ist Alles und beim Teufel ist sehr Vieles möglich. Ein Zufall kann das Spiel verderben.«
»Das ist’s ja, was ich meine! Und darum muß ich handeln wie der Feldherr handelt.«
»Der zurück bleibt und seine Soldaten vorschickt!«
»Sie werden ironisch!«
»Habe ich nicht die Veranlassung dazu?«
»Nein. Wenn der Feldherr verunglückt, ist Alles verloren. Er hat nicht nur sich selbst, sondern auch seinen Untergebenen gegenüber die Pflicht, sich zu schonen.«
»Aber was nützt es dem Soldaten, wenn er an Stelle des Feldherrn erschossen wird?«
»Hier ist ja weder von einer Schlacht noch von Erschießen die Rede. Hier ist nur das Eine möglich, daß Sie gefangen werden.«
»Schlimm genug!«
»O, nicht so schlimm, als wenn man mich ergreift. Verunglücke ich, so ist Alles verloren. Hält man aber Sie zurück, so bin ich da, um Sie heraus zu holen.«
»Würden Sie das wirklich thun?«
»Muß ich nicht?«
»Hm!« brummte der Agent.
»Ich darf Sie ja nicht verlassen. Man könnte Sie zu Geständnissen zwingen, und das muß ich doch auf alle Fälle verhüten. Sie sehen ja, daß ich ganz aus demselben Grunde jetzt bemüht bin, die Schmiede zu befreien!«
»Das ist wahr. Sie haben noch Keinen verlassen!«
»Weil dies in meinem eigenen Interesse liegt. Also, wollen Sie die Expedition unternehmen?«
»Hm! Darf ich mir eine Bedenkzeit ausbitten?«
»Wozu?«
»Man muß sich doch seine Haut betrachten, ehe man sich entschließt, sie zu Markte zu tragen.«
»Ich wiederhole, daß Sie ja an keine Gefahr glauben!«
»Und ich wiederhole meine Bemerkung, daß doch die Möglichkeit des Mißlingens nicht ausgeschlossen ist!«
Die Beiden verhielten sich als echte Spitzbuben zu einander. Der Hauptmann wollte sich in keine Gefahr begeben, und der Andere war zwar vom Gelingen des Streiches überzeugt, er war auch im Innern schon bereit, denselben zu übernehmen, wollte aber möglichst viel Nutzen für sich herausschlagen. Da glaubte der Hauptmann, seinen Vorschlag mit einem triftigen Argument unterstützen zu müssen. Er sagte: »Sie müssen sich übrigens an unsere Abmachungen erinnern. Es hat mir ein Jeder unbedingt zu gehorchen?«
»Wenn Sie einen wirklichen Befehl aussprechen, ja. Das aber haben Sie bis jetzt noch nicht getan.«
»Ich dachte, daß es nicht nöthig sein werde. Ich wünsche, daß Sie Das, was ich verlange, für einen Gefallen ansehen, den Sie mir erweisen.«
»Etwas Anderes könnte es auch nicht sein.«
»O doch!«
»Nun, was denn?«
»Ich brauche keinen Gefallen, sondern nur Gehorsam zu verlangen. Ich habe nicht zu bitten, sondern nur zu befehlen.«
Der Agent zwinkerte ihn mit halb zusammengekniffenen Augen von der Seite an und antwortete: »In dieser Angelegenheit wohl nicht!«
»Oho!«
»Ganz gewiß nicht!«
»Sie meinen etwa, daß Sie mir nicht zu gehorchen brauchen?«
Seine Stimme klang fast drohend; der Andere aber zuckte gleichmüthig die Achsel und antwortete:
»Wir haben geschworen, Ihnen zu gehorchen. Aber der Gehorsam, den wir gelobt haben, hat seine Grenzen.«
»Wo und wie?«
»Ich habe Ihnen nur innerhalb der Residenz zur Verfügung zu stehen. An einem Unternehmen, welches sich nach außerhalb erstreckt, brauche ich mich nicht zu betheiligen.«
»Aber dennoch müssen Sie wissen, daß es nur gut für einen Jeden ist, auch in diesem Falle meine Wünsche zu berücksichtigen.«
»Ihre Wünsche! Da haben wir es! Aber nicht Ihre Befehle! Ich bin ja auch bereit, über den Kreis meiner Verpflichtungen hinaus zu gehen. Aber umsonst ist nicht einmal der Tod, denn auch dieser muß mit dem Leben bezahlt werden. Wenn ich mehr thue als ich verpflichtet bin, zu thun, möchte ich auch einen Erfolg für meine Person sehen.«
»Ich bin ja bereit, Sie zu belohnen!«
»Ach!
Weitere Kostenlose Bücher