Der verlorne Sohn
gut und freundlich gegen ihn gewesen, als er sich in Noth befand.«
»So soll er sein Medaillon haben!«
»Judith!« rief die Alte abmahnend.
»Schweig, Mutter! Es gehört uns nicht; es ist sein Eigenthum, und er hält uns für ehrlich! Ich hole es!«
Sie ging in ihr Zimmer und brachte das Medaillon.
»Hier, Durchlaucht, ist es,« sagte sie. »Geben Sie es ihm, und sagen Sie ihm, daß Judith Levi dieses Herz hat zurück behalten, nicht um ihm zu schaden.«
»Davon bin ich, und davon ist auch er überzeugt.«
Er betrachtete den für die Betreffenden so werthvollen Schmuck. Er hatte ihn früher hundertmal gesehen und erkannte ihn sofort wieder. Es jauchzte in seinem Inneren auf. Er konnte nun doch nicht an die Aussage der Baronin Ella, daß der kleine Robert mit verbrannt sei, glauben.
»Nun aber werden uns doch nicht die Gerichte arretiren und bestrafen?« fragte die alte Rebecca.
»Wegen diesem Medaillon nicht.«
»Nun, und Anderes haben wir uns nicht vorzuwerfen. Das falsche Medaillon erhalten wir wohl wieder zurück?«
»Ja. Ich werde es Ihnen senden.«
Da trat Judith einen Schritt näher und sagte:
»Wäre es nicht möglich, daß er – er – – er es uns selbst bringen könnte, Durchlaucht?«
»Vielleicht. Ich will es ihm sagen.«
»Und – und – – noch Eins!«
Sie senkte den Blick verlegen zu Boden.
»Was? Fragen Sie immerhin!«
»Geht er oft zu Hellenbach’s?«
»Zuweilen.«
»Und Fräulein von Hellenbach zu ihm?«
»Wer behauptet das?«
»Ich bin ihnen auf der Straße begegnet. Sie ritten mit einander spazieren.«
Dem Fürsten that das verschmähte Mädchen leid. Es war ein Character, der durch Liebe zu allem Guten, Schönen und Erhabenen zu bringen war.
»Sie sehen sich zuweilen. Er hat damals den Riesen Bormann bei ihr überrascht, dadurch sind sie mit einander bekannt geworden. Sie ist ihm dankbar; das ist Alles.«
Er verabschiedete sich, nahm eine Droschke und fuhr sofort zu Alma von Helfenstein. Sie empfing ihn mit einer innigen Umarmung und zog ihn zu sich auf den Divan nieder.
»Bringst Du mir vielleicht eine Neuigkeit?« fragte sie.
»Sogar einige.«
»Bitte, laß mich sie hören!«
»Zunächst hat mir gestern der Hauptmann einen Besuch abgestattet.«
»Mein Gott! Er war bei Dir? Ihr seid doch nicht in Kampf gerathen?«
»Nein; habe keine Sorge! Er war nur auf meiner Veranda und weiß gar nicht, daß ich ihn gesehen und belauscht habe.«
»Was wollte er dort?«
»Er suchte seine Frau.«
»Weiß er denn etwa, daß sie sich bei Dir befindet?«
»Einer seiner Leute hat sie aufspionirt. Sie stiegen mit einander auf die Veranda und blickten in das Zimmer.«
»O weh! So ist Alles verrathen!«
»Noch nicht. Ich hatte die Baronin hinausbringen und die Köchin sich in das Bett legen lassen. Der Baron war allerdings sehr enttäuscht; er ist überzeugt, daß sein Untergebener sich geirrt hat.«
»Aber ein Verdacht wird dennoch sitzen bleiben.«
»Ganz gewiß. Darum habe ich die Baronin eine Etage höher und nach der Front herausplaciren lassen. Die zweite Neuigkeit ist weit wichtiger.«
»Laß sie hören!«
»Nicht eher, als bis Du mir Zweierlei versprochen hast.«
»Was?«
»Erstens einen Kuß zum Lohn und zweitens, daß Du nicht erschrecken willst darüber.«
»Ist es so schrecklich?«
»Nein; es giebt auch einen freudigen Schreck!«
»O, seit ich Dich wieder habe, bin ich stark. Den Kuß sollst Du recht gern pränumerando erhalten.«
Sie umschlang seinen Nacken und küßte ihn innig.
»So! Nun erzähle!« sagte sie dann.
»Zunächst werde ich Dir nichts erzählen, sondern Dir nur Etwas zeigen. Kennst Du vielleicht diesen Gegenstand?«
Er zog das Medaillon hervor und gab es ihr. Sie warf einen Blick darauf, stieß einen lauten Schrei aus und griff mit den Händen nach ihrem Herzen.
»Siehst Du, daß Du sehr erschrocken bist!« sagte er.
»Vor Freude, vor Freude! Vor Wonne, mein geliebter Gustav. Mein Gott und Herr! Das ist ja Robert’s Medaillon!«
»Ja, gewiß!«
»Es ist nicht mitverbrannt. Man hat es jedenfalls unter dem Schutte gefunden.«
»Ich denke anders. Nicht nur das Medaillon ist erhalten worden, sondern auch der kleine Robert.«
»Du meinst, daß er noch lebe?«
»Ja.«
»Aber Ella sagte das Gegentheil!«
»Das beweist noch nichts. Ich werde mit den beiden Schmieden sprechen. Vielleicht bringe ich sie zum Geständnisse. Erst dann können wir sagen, ob er todt sei oder nicht.«
»Wer aber ist jetzt Eigenthümer des
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