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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Geschäfte! Hast Du gehört, Judith?«
    »Ja, ich kenne Durchlaucht!« antwortete das schöne Mädchen.
    »Du kennst ihn! Und ich habe ihn nicht gekannt! O, wäre doch hier Dein Vater, mein Mann Salomon Levi! Wie würde er sich freuen, zu sehen bei sich einen so vornehmen Herrn!«
    »Er ist nicht daheim?« fragte der Fürst.
    »Nein, heute nicht.«
    »Wohl verreist?«
    »Verreist – auch nicht,« antwortete sie verlegen.
    Da that er, als ob er sich besinne, und sagte:
    »Ach ja, da fällt mir ein! Er ist allerdings nicht verreist.«
    »Sie wissen das?«
    »Ja. Ich habe mit den Herren vom Gerichte über diese Angelegenheit gesprochen.«
    »Was sagen diese Herren? Werden sie recht bald wieder freilassen den unschuldigen Mann?«
    »Unschuldig?« meinte er achselzuckend.
    »Ja, er ist unschuldig. Er hat gekauft das Loos für dreißig Gulden. Das Andere ist nicht wahr.«
    »Ich will nicht richten; aber ich wünschte um Ihretwillen, daß er nur dieser einen Sache wegen angezeigt sei.«
    »Soll er auch noch Anderes getan haben?«
    »Leider!«
    »Was denn?«
    »Er soll mit dem sogenannten Hauptmanne in Verbindung stehen oder doch gestanden haben.«
    »Das ist nicht wahr, das ist Lüge!«
    »Und auch noch Anderes soll er getan haben. Es ist sogar wahrscheinlich, daß auch Sie Beide noch eingezogen werden.«
    »Wir? Eingezogen, das heißt arretirt?«
    »Das ist’s, was ich sagen will.«
    »Gott der Gerechte! Hörst Du, Judithleben, meine Tochter, wir sollen werden auch arretirt!«
    Die Tochter richtete sich stolz empor und sagte:
    »Das wird man bleiben lassen!«
    »Seien Sie nicht so sicher!« warnte der Fürst.
    »Wir haben nichts Unrechtes getan.«
    »Und doch ist man der Ansicht, daß Sie auch mit schuldig seien. Man glaubt, Ihre Schuld beweisen zu können.«
    »Was wirft man uns vor?«
    »Unterschlagung, Fälschung.«
    »Herr Zebaoth!« schrie die Alte. »Welch eine schlechte und böse Menschheit ist dies.«
    »Was sollen wir unterschlagen und gefälscht haben, Durchlaucht?« fragte Judith.
    »Eine goldene Kette nebst Medaillon.«
    Sie erbleichte.
    »Wer sagt das?« fragte sie.
    »Der Staatsanwalt.«
    »Wer kann es uns beweisen?«
    »Der Richter.«
    »Er weiß nichts; er kann nichts beweisen.«
    »O, es sind Zeugen da!«
    »Wer sind sie?«
    »Robert Bertram.«
    »Der hat seine Kette wieder zurück erhalten.«
    »Auch sein Medaillon?«
    »Ja.«
    »Oder vielmehr ein gefälschtes, ein nachgemachtes.«
    »Das ist eine Lüge!«
    »Es giebt noch einen Zeugen.«
    »Wer ist das?«
    »Der Goldarbeiter Jacob Simeon, welcher in Ihrem Auftrage das Herz verändert hat.«
    »Er lügt.«
    »Er wird sein Geständniß beschwören, und Sie Beide wird man arretiren! Sie dauern mich; aber ich kann nichts ändern. Noch wäre es Zeit, sich zu retten!«
    »Wieso retten?«
    »Wenn Sie das Geschmeide freiwillig heraus geben, will Robert Bertram diese Angelegenheit auf sich beruhen lassen. Sie haben das echte Medaillon; man weiß es ganz genau. Sie könnten zwar auf den Gedanken kommen, es zu vernichten, aber das würde Ihre Lage nur verschlimmern.«
    Sie antworteten nicht. Er ließ einige Augenblicke verstreichen; dann fuhr er in wohlwollendem Tone fort: »Bertram beschwört, daß er Ihnen das echte Medaillon gegeben und dafür ein falsches erhalten hat. Jacob Simeon beschwört, daß er von Ihnen das echte erhalten hat, um ein unechtes darnach anzufertigen; er beschwört ferner, daß er Ihnen das echte zurückgegeben hat und daß dasjenige, welches Bertram von Ihnen erhielt, das von ihm angefertigte, unechte ist. Nun mögen Sie gestehen oder nicht, das Zuchthaus ist Ihnen gewiß.«
    »Zuchthaus!« kreischte die Alte.
    »Zuchthaus!« murmelte auch Judith vor sich hin.
    »Und nicht bloß das! Robert Bertram will Ihnen wohl. Er rühmt Ihre Freundlichkeit; er denkt gern an Sie und spricht gern von Ihnen. Er nimmt noch jetzt an, daß die Verwechslung der Medaillons nur eine ganz zufällige gewesen ist. Er hält Sie für brav und ehrlich. Aber wenn Sie beim Leugnen bleiben, dann ist er gezwungen, Sie allerdings für Betrügerinnen zu halten. Und das würde ihm leid, sehr leid thun.«
    »Leid, sehr leid!« flüsterte Judith.
    In ihrem Gesichte sprach sich ein Kampf aus, den sie jetzt in ihrem Inneren durchmachte. Dann aber fuhr sie wie in einem raschen, kräftigen Entschlusse von ihrem Stuhle auf und fragte:»Würde es ihm wirklich leid thun, Durchlaucht?«
    »Ja, gewiß, herzlich leid.«
    »Und er spricht gern von uns?«
    »Sehr gern! Sie sind doch

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