Der verlorne Sohn
an seiner Stelle den Waldkönig gemacht.«
»Niemals!«
»Sie und die beiden Seidelmann’s, und auch der Wagner Hendschel in Obersberg.«
»Wer das sagt, der lügt!«
»O, Sie wissen sogar, daß der Baron Derjenige ist, den man hier mit dem Worte ›Hauptmann‹ bezeichnet.«
»Herr Brandt, ich weiß gar nicht, wie Sie auf solche Vermuthungen kommen. Ich bin ein ehrlicher Mann.«
»Für einen Verbrecher im tiefsten Sinne des Wortes halte ich Sie auch nicht. Darum war es meine Absicht, Sie zu retten. Es thut mir leid, Sie anders zu finden, als ich gewünscht habe. Wenn Ihnen Alles gleichgiltig ist, so habe ich gemeint, daß Sie doch wenigstens Ihren Sohn nicht ganz und gar in’s Verderben stürzen würden.«
Der Schmied hob rasch den Kopf empor und fragte:
»Wieso?«
»Man wird Ihnen Alles beweisen, Alles. Sie gestehen nicht, und so wird man zum härtesten Strafmaße greifen, während ein offenes Geständniß Ihrem Sohne großen Nutzen gebracht hätte. Sie sind alt; Ihre Strafe wird bald zu Ende gehen. Aber Ihr Sohn könnte, nachdem er Gnade findet, noch lange, lange das Leben haben und auch genießen.«
Das wirkte. Der Schmied blickte sinnend vor sich nieder, dann sagte er:
»Woher wissen Sie, was ich gestern mit dem Baron Franz gesprochen habe?«
»Sehen Sie, daß Sie jetzt zugeben, mit ihm gesprochen zu haben!«
»Ich gebe es nicht zu; ich frage blos.«
»So kann ich Ihnen auch Ihre Frage nicht beantworten.«
»Hat er es etwa selbst gesagt?«
»Das ist meine Sache. Sie legen sich auf das Leugnen, weil Sie hoffen, von ihm befreit zu werden. Aber wir wissen, daß er der Hauptmann ist. Er hat bereits die Schlinge um den Hals; sie wird sich in Kurzem zusammen ziehen. Und Sie, der Sie ihn schonen wollen, werden mit ihm untergehen.«
Der Alte antwortete nicht. Er hörte, daß man den Baron kannte; er sah ein, daß Brandt es gut mit ihm meinte; er wollte gegen diese Güte nicht unempfindlich sein; aber es lag auch nicht in seiner Absicht, durch ein umfassendes Geständniß Dinge zu erwähnen, die man ihm vielleicht niemals zu beweisen vermochte. Er beschloß wenigstens in Einem nachzugeben, und sagte: »Na, Herr Brandt, Sie sollen nicht denken, daß ich ein ganz und gar schlechter Kerl bin. Was ich gethan habe, das will ich Ihnen gern gestehen.«
»Daran thun Sie recht. Also, was gestehen Sie?«
»Daß Sie damals an dem Morde des Hauptmannes von Hellenbach unschuldig waren.«
»Sie waren also Zeuge der That?«
»Ja.«
»Ihr Sohn auch?«
»Auch er.«
»Wer hat den Hauptmann erschossen?«
»Baron Franz.«
»Mit welcher Waffe?«
»Mit Ihrem Gewehre.«
»Das haben Sie deutlich gesehen?«
»Ganz und gar deutlich. Das war nämlich so!«
Er erzählte, wie es damals sich ereignet hatte. Als er mit seinem Berichte fertig war, fragte Brandt: »Was machten denn Sie Beide im Walde?«
»Wir suchten Pilze.«
»Ach so! Warum zeigten Sie den Baron nicht an?«
»Wir hatten Angst vor ihm.«
»Sie sind doch sonst nicht ängstlich!«
»Wir wußten, daß er ein rachsüchtiger und gewaltthätiger Mensch ist. Und sodann glaubten wir, daß Ihre Unschuld auch ohne uns an den Tag kommen werde.«
»Sie wissen jetzt, wie sehr Sie sich darin getäuscht haben. Warum aber sind Sie dann, als ich verurtheilt war, nicht mit der Wahrheit hervorgetreten?«
»Wir dachten, daß man uns nun bestrafen werde.«
»Damit haben Sie großes und schweres Elend über mich gebracht. Doch, ich verzeihe Ihnen. Werden Sie Ihr gegenwärtiges Bekenntniß zu Protocoll geben?«
»Ja.«
»Und es auch unterzeichnen?«
»Ja.«
»So kommen Sie wieder mit zurück in das Zimmer des Herrn Staatsanwalts, welcher Ihr Geständniß niederschreiben wird.«
Der Staatsanwalt war, unter der offenen Verbindungsthür stehend, Zeuge dieser Unterredung gewesen. Er trat jetzt zurück. Das benutzte der alte Schmied. Er trat hart an Brandt heran und raunte ihm zu: »Schonen Sie meinen Sohn! Ich bitte!«
Dann folgte er ihm in das vordere Zimmer.
Er blieb bei seinem Geständnisse, welches er auch unterschrieb, leugnete aber dann alles Andere. – Er wurde abgeführt.
Jetzt, da sie nun wieder allein waren, wendete sich der Anwalt zu Brandt:
»Aber, Durchlaucht, ich begreife nicht, daß ein Mensch zwei so verschiedene Gesichter haben kann!«
»Aber Sie begreifen, daß ich als verfolgter Flüchtling mein Gesicht verändern mußte?«
»Allerdings! Weiß der Minister, daß Sie Brandt sind?«
»Ja, und Mehrere wissen es. Sie sind von meiner Unschuld
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