Der verlorne Sohn
beantworten. Leugnen erschwert nur Ihre Lage.«
»Etwas schwerer oder nicht, das ist ganz gleich!«
»Antworten Sie! Sie sind gestern in Gesellschaft Ihres Sohnes entflohen?«
»Ja,« lachte er befriedigt.
»Sie haben dabei den Untersuchungsrichter getödtet?«
Der Alte machte ein sehr erstauntes Gesicht und sagte:
»Ich? Getödtet?«
»Ja, freilich! Sie haben meine Frage natürlich verstanden, wie ich hoffe?«
»Ich glaube nicht, daß ich richtig verstanden habe.«
»Sie haben den Untersuchungsrichter getödtet?«
»Ist mir nicht eingefallen!«
»So ist Ihr Sohn es gewesen?«
»Der noch viel weniger.«
»Wer soll es denn sonst gewesen sein?«
»Ist denn der Mann todt?«
»Ah, Sie glauben, mit mir Comödie spielen zu können?«
»Nein. Ich bin gefangen; das ist keine Comödie!«
»So antworten Sie auch im Ernste!«
»Ich kann nur sagen, was wahr ist. Ich weiß kein Wort davon, daß der Untersuchungsrichter todt ist.«
»Sie leugnen also?«
»Ich habe dem Herrn nichts gethan und mein Sohn auch nicht.«
»Wie sind Sie denn entkommen?«
»Zum Fenster hinaus.«
»Das wäre doch ganz unmöglich, wenn Sie nicht vorher den Beamten getödtet hätten!«
»Warum unmöglich?«
»Er hätte Sie fest gehalten.«
»Uns Zwei? Ah! Das sollte er bleiben lassen!«
»Oder er hätte gerufen.«
»Das wollte er ja. Aber er konnte nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil ich ihm den Hals zugehalten habe.«
»Und dann haben Sie ihm die Papierscheere in das Herz gestoßen.«
»Die Papierscheere! Ah, er hat eine Scheere im Herzen stecken gehabt?«
»Ja.«
»Der arme Teufel! Er dauert mich!«
»Mensch, lästern Sie nicht!«
»Ich sage die Wahrheit. Ich habe ihm die Gurgel ein Bischen fest zugehalten, und da ist er in Ohnmacht gefallen. Wir sind zum Fenster hinunter und fort.«
»Und wer soll ihn erstochen haben?«
Da machte der Alte ein sehr zutrauliches, freundliches Gesicht und fragte:
»Das können Sie sich nicht denken, Herr Staatsanwalt?«
»Nein, wenn Ihr es nicht gewesen seid.«
»Wir waren es nicht. Es ist aber sehr leicht, zu errathen, wer es gewesen ist.«
»Wer denn?«
»Na, er selbst!«
»Mensch!« fuhr der Beamte auf.
»Ja,« meinte der Alte ruhig, »er selbst hat sich ermordet. Er hat gesehen, daß wir fort sind; er hat sich vor der Strafe gefürchtet, und da ist ihm die Scheere in die Hand gekommen. Anders kann es gar nicht erklärt werden.«
»Nun, wir werden schon noch eine andere Erklärung finden. Wie aber ist es Euch möglich, so schnell in der Residenz zu sein?«
»Wir sind rasch gelaufen.«
»Ach so! Nicht gefahren!«
»Nein.«
»Ich werde Euch Euern Fuhrmann vorstellen.«
»Wir sind gelaufen!«
»Warum seid ihr denn nach der Hauptstadt und nicht nach einer anderen Richtung geflohen?«
»Weil wir glaubten, gerade hier am Sichersten zu sein.«
»Ach so! Was wolltet ihr hier beginnen?«
»Arbeiten.«
»Machen Sie sich nicht lächerlich! Sie hatten hier Jemanden, an den Sie sich wenden wollten.«
»Keinen Menschen!«
»Wo waren Sie denn gewesen, als Sie nach dem Gasthof zum goldenen Ring zurückkehrten?«
»Spazieren.«
»Sie haben in Ihrer Haftzelle kein Geld gehabt, und gestern Abend hat man Geld bei Ihnen gefunden. Wer hat es Ihnen gegeben?«
»Wir haben es gefunden.«
»Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Ihre kindischen Antworten Ihnen gar keinen Nutzen bringen. Leugnen Sie immerhin; man wird Sie überführen!«
»Was wir nicht gethan haben, kann uns Niemand beweisen, Herr Staatsanwalt!«
»Weshalb befanden Sie sich in Untersuchungshaft?«
»Ich weiß es nicht.«
»Sie haben doch erfahren, aus welchem Grunde man Sie in Haft genommen hat?«
»Na, wir sollen geschmuggelt haben.«
»Da sind Sie wohl unschuldig?«
»Ja.«
»Sollen Sie nicht auch noch Anderes gethan haben?«
»Nicht daß ich wüßte. Wir sind ehrliche Handwerksleute und haben niemals Etwas gethan, was verboten ist.«
»So, so! Ist Ihnen der Waldkönig bekannt?«
»Nein.«
»Sie haben wohl nie von ihm gehört.?«
»Sehr viele Male; aber gesehen haben wir ihn nie!«
»Kennen Sie den Baron Franz von Helfenstein?«
»Ja; er ist ja unser Schloßherr.«
»Sie haben ihn nur als Ihren Schloßherrn kennen gelernt?«
»Ja.«
»Haben Sie vielleicht eine Ahnung, wer der Waldkönig ist?«
»Nein. Was geht er uns überhaupt an?«
Da hustete der Fürst im Nebenzimmer. Der Staatsanwalt hörte es und sagte zu dem Schmiede:
»Ich sehe, daß Sie sich hier auf das Leugnen legen. Ich will mich gar nicht
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