Der verlorne Sohn
gefunden habe?«
»Nein. Er befindet sich in nächster Nähe Ihrer Person.«
Da trat der Staatsanwalt einen Schritt zurück, sah den Fürsten mit großen Augen an und fragte: »Durchlaucht! meinen Sie das wörtlich?«
»Wörtlich!« nickte der Gefragte.
»Und Sie sprechen im Ernste?«
»Vollständig!«
»So können Sie nichts anderes meinen, als –«
Er stockte. Das, was er aussprechen wollte, war doch so unglaublich, daß er inne hielt.
»Bitte, als – –?«
»Daß Sie selbst dieser Brandt sind!« platzte er heraus.
»Ja, das ist’s, was ich meine.«
»Aber – aber – Durchlaucht!«
»Mein lieber Staatsanwalt, Sie machen ja ein Gesicht, als ob ich das größte Weltwunder sei!«
»Es ist fast so!«
»Nun, es ist doch sehr erklärlich. Jetzt bin ich Fürst von Befour, früher aber hieß ich Brandt und war Beamter der hiesigen Polizei.«
»Und Sie scherzen wirklich nicht?«
»Die Sache ist mir so ernst, daß an Scherz dabei gar nicht zu denken ist. Also ich versichere Ihnen, daß ich der flüchtige Brandt bin. Glauben Sie es?«
»Ich muß es ja glauben, wenn Sie es sagen.«
»Nun bitte, mich zu arretiren.«
»Donnerwetter!«
Er machte dabei ein Gesicht, welches trotz allem Ernstes der Situation ein Lächeln des Fürsten hervorlockte.
»Ich denke, es ist Ihre Pflicht, mich festzunehmen.«
»Durchlaucht, da werde der Teufel klug. Sie haben die Karte des Ministers – –«
»Freilich!«
»Sie verkehren am Hofe – –«
»Auch das!«
»Sie sind Fürst – –«
»Ganz gewiß!«
»Wie soll ich Sie da arretiren!«
»Nun, so lassen sie mich unarretirt!«
»Aber ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß ich vor Erstaunen ziemlich perplex bin!«
»Das glaube ich Ihnen gern, denn ich sehe es Ihnen an.«
»Wirklich? Muß mich doch mal selbst betrachten!«
Er zog das Schubfach des Tisches heraus, zog einen kleinen Spiegel hervor und blickte hinein.
»Na, es ist noch so leidlich,« lachte er. »Aber bitte, Durchlaucht, wundern Sie sich nicht, wenn ich Sie um eine kleine Aufklärung ersuche!«
»Das ist ja Ihre Pflicht. Ich will Ihnen in Kürze mittheilen, was nöthig ist, ersuche Sie aber, dies noch unter dem Siegel der Verschwiegenheit zu halten. Also hören Sie!«
Es dauerte wohl eine Viertelstunde, bis der Staatsanwalt Das wußte, was er erfahren wollte und nun also die Ueberzeugung gewann, daß er nach dem Rathe des Fürsten verfahren könne.
»Sind Sie jetzt befriedigt, Herr Staatsanwalt?«
»Ja. Danke sehr!«
»Und darf Brandt den Schmied verhören, wenn der Alte Ihnen nichts gestehen will?«
»Ja. Werden Sie hier zugegen sein?«
»Nein. Aber ich werde Alles hören. Was befindet sich da im Nebenzimmer?«
»Das Actenrepositorium der Staatsanwaltschaft.«
»Giebt es einen Tisch dabei?«
»Ja, einen Tisch und Stühle.«
»So werde ich mich da niedersetzen. Wir lassen die Thüre offen, so daß ich Alles hören kann. Sollte Wolf hartnäckig leugnen, so werde ich am gegebenen Zeitpuncte husten; dann schicken Sie ihn mir heraus.«
»Schön! Sie werden aber Protocoll führen müssen.«
»Natürlich! Bitte um Papier und die anderen nothwendigen Requisiten.«
Er machte es sich draußen im Nebenzimmer bequem, und der Staatsanwalt klingelte und befahl, den Schmied vorzuführen.
»Aber, bitte, sind Sie bewaffnet?« fragte draußen der Fürst.
»Meinen Sie, daß dies nöthig ist?«
»Man muß vorsichtig sein. In seiner gegenwärtigen Lage ist diesem Menschen Alles gleich.«
»Nun, einen Revolver habe ich stets bei der Hand.«
»Legen Sie ihn so, daß Sie ihn augenblicklich ergreifen können, und lassen Sie den Schmied sich ja nicht zu sehr auf den Leib rücken!«
Jetzt brachte der Gefängnißschließer den alten Wolf herein geführt und blieb neben ihm stehen.
»Sie können abtreten!« sagte der Beamte.
»Herr Staatsanwalt!« mahnte der Schließer, indem er eine warnende Pantomime machte.
»Gehen Sie nur! Mich wird dieser Mann nicht erstechen!«
Der Unterbeamte gehorchte.
Wolf war nicht gefesselt. Er stand hoch und stolz an der Thür; es war ihm weder Grimm noch Muthlosigkeit anzusehen.
»Treten Sie näher!« sagte der Staatsanwalt. »Aber nur bis zu dem Stuhle da. Thun Sie einen Schritt weiter, so schieße ich Sie nieder.«
Der Alte zog eine höhnische Grimasse und sagte:
»Aha! Alle fürchten sich vor uns!«
»Vorsicht ist kein Zeichen der Furcht oder der Angst! Zunächst habe ich Sie aufzufordern, mir die Fragen, welche ich Ihnen vorlege, genau nach der Wahrheit zu
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