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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Versammlung haben, wie ich vermuthe.«
    »Wie können Sie das vermuthen?«
    »Ich habe zufälliger Weise ein Gespräch belauscht.«
    »Wo werden diese Zusammenkünfte abgehalten?«
    »Sie wissen, wie gern ich Ihnen diene, aber den Ort kann ich nicht verrathen. Ich halte meinen Schwur nicht nach dem Sinn, sondern genau wörtlich. Die Schlüssel muß ich natürlich dem Hauptmann geben.«
    »Ja. Aber von heute an stellen Sie sich drei Tage lang krank, wenn Sie nicht verloren sein wollen.«
    »Ist Etwas gegen uns los?«
    »Ich ahne Etwas. Uebrigens haben Sie nichts zu fürchten. Nur schweigen Sie. Hier haben Sie Etwas!«
    Er reichte ihm einige Geldstücke, und dann entfernte sich der Schlosser.
    Der Fürst hielt es jetzt für seine Pflicht, Alma von Helfenstein zu besuchen. Die Warnung, welche er ihr geschickt hatte, war ganz dazu geeignet, sie mit Besorgniß zu erfüllen. Er mußte sie beruhigen oder doch wenigstens ihr die Gründe mittheilen, welche ihn veranlaßt hatten, den Diener zu ihr zu senden.
    Er kehrte also in’s Palais zurück und legte seine Verkleidung ab. Dann ließ er anspannen und fuhr zu ihr. Sie kam ihm erfreut entgegen. Ihre erste Frage war, ganz wie er vermuthet hatte, auf die Warnung gerichtet, die sie erhalten hatte.
    »Droht mir denn irgend eine Gefahr, wenn ich meine Wohnung verlasse?« erkundigte sie sich.
    »Vielleicht. Mit Gewißheit vermag ich es zwar nicht zu behaupten, aber dennoch halte ich dafür, daß Du vorsichtig sein mußt. Ich habe nämlich den Baron Franz in eine Lage versetzt, welche für ihn förmlich verzweifelt ist. Er hat nur die Wahl zwischen seinem Tode und demjenigen seiner Widersacher.«
    »Dann befindest Du Dich aber doch in ganz derselben Gefahr!«
    »Allerdings. Die Gefahr, in welcher ich mich befinde, ist sogar bedeutender, denn er sieht jetzt ein, daß ich es bin, den er am Allermeisten zu fürchten hat.«
    »Und dennoch wagst Du Dich aus der Wohnung!«
    »O, am Tage habe ich nichts zu fürchten, und dann besteht mein bester Schutz in der Verkleidung, welche ich anlege.«
    »Wodurch hast Du ihn denn in solche Verzweiflung getrieben?«
    »Die Schmiede sind aus Brückenau entflohen. Sie sind zu ihm gekommen, und ich habe sie festnehmen lassen. Dann bin ich zu ihm gegangen und habe ihm drei Tage Zeit gegeben, Alles zu gestehen. Ich habe ihm gesagt, daß ich ihn nach Ablauf dieser Frist arretiren lassen werde.«
    »War das nicht gewagt von Dir?«
    »O nein. Ich habe meine Berechnung dabei und glaube nicht, daß ich mich in ihm täusche.«
    »Er wird das Äußerste wagen!«
    »Das weiß ich und das will ich. Er weiß, daß der Fürst des Elendes mit mir identisch ist, er weiß ferner, daß seine Frau sich bei mir befindet, daß Gustav Brandt hier ist und daß ihm noch ganz andere Schlingen gelegt sind. Er wird beabsichtigen, binnen dieser drei Tage alle Personen, welche nach seinem Verderben trachten, sich aus dem Wege zu räumen.«
    »Also auch mich?«
    »Ja. Darum ist es besser, Du gehst nicht aus.«
    »Das allein kann mich nicht schützen. Wie nun, wenn er mich überfallen läßt, wie damals durch den Riesen Bormann?«
    »Das ist unmöglich. Es könnte nur des Nachts geschehen, und ich werde es anordnen, daß Dein Haus polizeilicher Seits bewacht wird.«
    »Dann bin ich beruhigt. Aber wird er seine Absichten nicht auch gegen Robert Bertram richten?«
    »Gewiß. Er hat es bereits gethan.«
    »Herrgott! Es ist doch nichts geschehen?« fragte sie erschrocken.
    »Nun, der gedungene Mörder war bereits da.«
    »Mein Himmel! Du hast ihn doch festnehmen lassen?«
    »Nein.«
    »Das begreife ich nicht!«
    »Ich habe meine Absicht dabei. Ich habe selbst mit ihm gesprochen und ihn entkommen lassen. Hätte ich es nicht gethan, so wäre der Baron gewarnt gewesen. Er soll bis zum letzten Augenblick an das Gelingen seiner Machinationen glauben, um mir desto sicherer in das Netz zu geben. Er muß
in flagranti
erwischt werden, so daß ihm ein Leugnen zur Unmöglichkeit wird. Ich verlasse Dich jetzt wieder und bin überzeugt, daß Du nun ohne Sorge sein kannst. – –«
    Es war am Abend. Ein hohler Wind strich durch die Straßen der Residenz und trieb den dichten Regen prasselnd gegen die Fenster der Wohnungen. Das Licht der Gaslaternen hatte seine Kraft verloren. Es wirkte auf die Entfernung von nur wenigen Schritten, so daß selbst Leute, welche nahe an einander vorübergingen, sich nicht erkennen konnten.
    Natürlich gab es der Passanten nur äußerst wenige. Wer nicht gerade

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