Der verlorne Sohn
gezwungen war, in das Wetter hinaus zu gehen, der blieb daheim am warmen Ofen sitzen.
Vom Flusse herauf kam ein Mann durch die enge Gasse, in welcher der Apotheker Horn wohnte. Er hatte Etwas wie einen alten Mantel um sich geworfen und ging tief gebückt, um seine hohe und breite Figur kleiner erscheinen zu lassen. Auch hielt er sich so viel wie möglich von den Laternen entfernt.
So erreichte er das Haus des Apothekers, an dessen Thür er auf die bekannte eigenthümliche Art und Weise klopfte. Er mußte wegen des Windes, welcher jedes nicht ganz bedeutende Geräusch verschlang, das Klopfen wiederholen. Endlich wurde der Riegel zurückgeschoben und die Thüre geöffnet, allerdings bloß um eine kleine Spalte.
»Wer ist da?« fragte eine weibliche Stimme.
»Ist Horn zu Hause?« gegenfragte er.
»Warum?«
»Ich habe mit ihm zu reden.«
»Was?«
»Donnerwetter!« fluchte er ungeduldig. »Das geht Dich doch den Teufel an, dummes Weibsen!«
»Oho!« antwortete Jette, denn diese war es. »Hier wird nicht ein Jeder eingelassen. Wer sind Sie?«
»Das werde ich ihm selber sagen. Ich will hinter!«
Er gab diesen letzten drei Worten eine hörbare Betonung, und das wirkte sogleich.
»Ach so!« sagte sie. »Das ist freilich etwas Anderes. Kommen Sie also herein!«
Jetzt machte sie die Thür vollständig auf, so daß er eintreten konnte. Er behielt seine gebückte, zusammengepreßte Haltung bei. Der scheinbare Mantel bestand aus zwei zusammengehefteten Pferdedecken. Er hielt eine Ecke derselben vor das Gesicht, und da er die Krempe des alten Hutes, welchen er trug, möglichst weit hereingezogen hatte, so war von seinen Zügen gar nichts zu erkennen.
Sie erhob doch die Lampe, um ihm in das Gesicht zu leuchten; da aber sagte er zornig:
»Packe Dich fort mit der Lampe! Rufe lieber Deinen Alten heraus. Ich kann mich nicht ewig hier herstellen!«
»Gehen Sie die Kellertreppe hinunter! Es könnte zufälliger Weise Jemand kommen. Werden Sie Etwas trinken?«
»Willst wohl mit saufen? Daraus wird nichts.«
Bei diesen Worten stieg er die Stufen hinab. Die Thür des Kellers war nur angelehnt, so daß er eintreten konnte.
Es dauerte nicht lange, so kam der alte Giftmischer. Der fremde Gast hatte den improvisirten Mantel abgeworfen und hielt den Hut in der Hand, um den Regen aus demselben zu schütteln. Das Licht des Apothekers fiel auf sein entblößtes, bärtiges Gesicht.
»Alle guten Geister!« entfuhr es Horn.
»Was denn? Warum erschrecken Sie? Halten Sie mich denn wirklich für den Teufel?«
»Viel besser ist es nicht!«
»Sehr schmeichelhaft für mich.«
»Bormann! Bormann!«
»Na ja! Der bin ich allerdings.«
»Was wollen Sie denn hier?«
»Zunächst einen Schnaps, Alter, aber einen tüchtigen, nicht so ein Gläschen, aus dem kaum eine Bachstelze genug hat!«
»Haben Sie Geld?«
»Donner und Doria! Was geht das Sie an!«
»Oho! Ich verkaufe meine Ware, aber ich verschenke sie nicht. Sie kostet ja mein Geld!«
»Wer sagt, daß ich sie geschenkt haben will!«
»Hm, hm!«
Er warf dabei einen bezeichnenden Blick auf den Anzug Bormanns, welcher freilich nicht glänzend war.
»Na, Kameraden können einander einen Schluck geben, ohne grad an die Bezahlung zu denken. Aber was ich trinke, das kann ich noch berappen! Her damit!«
Er zog ein Geldstück aus der Tasche und reichte es dem Apotheker hin. Dieser betrachtete es und sagte dann:»Das langt. Also vom Besten?«
»Ja. Es ist doch Alles Gift, was man hier säuft!«
Der Alte füllte einen Humpen und reichte ihn hin. Bormann setzte an und trank ihn ohne Absetzen aus.
»Ah!« sagte er. »Das wärmt! Verdammtes Wetter! Geben Sie noch Einen.«
Er setzte sich auf einen der alten Schemel nieder, leerte auch den zweiten Humpen und dehnte dann behaglich die Glieder.
»Sie wundern sich, daß ich mich in die Hauptstadt wage?« fragte er dann. »Sie wissen wohl – –?«
»Ja. Ich habe es gelesen.«
»Eine ganz verfluchte Geschichte!«
»Ja, Sie sind nur kurze Zeit selbständiger Director gewesen. Warum aber machen Sie solche Dummheiten?«
»Dummheiten? Ich habe nichts Anderes gethan, als was ich stets und gewöhnlich thue. Aber dieser verfluchte Fürst des Elendes – – hole ihn der Satan tausendmal!«
»Ah! Der war es?«
»Ja freilich!«
»Dann steht es schlimm!«
»Ja, unbequem, verdammt unbequem ist es, sich von der Polizei hetzen zu lassen. Ich habe es satt.«
»Was wollen Sie thun? Sich freiwillig stellen?«
»Halten Sie mich für verrückt?
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