Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
benutzt, um über die Grenze zu kommen?«
    »Nein. Er muß wissen, daß er in diesem Falle baldigst ergriffen würde.«
    »Welche Weise des Fortkommens muß er also wählen?«
    »Entweder geht er zu Fuß – – –«
    »Als Offizier verkleidet?«
    »Ach, nein; da wird er allerdings auf eine Fußtour verzichten und lieber ein Geschirr nehmen.«
    »Er nimmt ein Geschirr oder kauft sich ein Reitpferd. Ich möchte annehmen, daß er sich für das Letztere entschließt. Als Reiter ist er noch viel mehr Herr seiner Bewegungen, als im Wagen. Darum habe auch ich den Sattel gewählt. Ich habe Sie als einen scharfsinnigen Mann kennen gelernt, und darum sollen Sie mein Begleiter sein. Oder sind Sie anderweit engagirt?«
    »Nein. Ich bin Ihnen sogar dankbar dafür, daß Ihre Wahl auf mich gefallen ist. Es sollte mich freuen, den Kerl zu ergreifen, der es auf den Besitz und vielleicht auch auf das Leben von Miß Starton abgesehen hatte!«
    »Recht so! Ich hoffe, daß er uns nicht entgehen werde. Nur zunächst eine Spur finden. Kommen Sie!«
    Er trieb sein Pferd zu größerer Eile. Sie schlugen die Richtung nach dem Petrikirchhofe ein.
    Dieser lag etwas höher als das Flußufer. Dort, auf dem Wasser, lag noch der Nebel, begann sich aber in dichten Ballen und Schwaden abzulösen, um sich langsam zu erheben. Eine Fernsicht gab es noch nicht.
    Am Kirchhof stand ein Polizeiposten, welcher den Fürsten, der ohne Maske war, ehrerbietig grüßte.
    »Seit wann stehen Sie hier?« fragte Befour.
    »Seit der Flucht des Hauptmannes.«
    »Recht so! Hat es Passanten gegeben?«
    »Keinen einzigen.«
    »Danke!«
    Er lenkte sein Pferd nach den Scheunen, unter deren einer die Kindesleiche versteckt gewesen war.
    »Verstehen Sie, weshalb ich diese Richtung einschlage?« fragte er Holm.
    »Ja, sehr gut.«
    »Nun?«
    »Der Flüchtling soll sich nach dem Flusse gewendet haben. Wenn wir von hier aus parallel mit dem Ufer über die Wiesen reiten, müssen wir auf seine Spur treffen.«
    »Richtig; also kommen Sie!«
    Er ritt voran, mit dem Auge den Boden genau und scharf betrachtend. Bereits nach kurzer Zeit hielt er an, deutete auf eine Stelle des feuchten Wiesengrundes und sagte, befriedigt mit dem Kopfe nickend: »Sehen Sie diese Reihe von Löchern, welche da quer über die Wiese nach dem Flusse führen?«
    »Ja. Da ist Jemand gegangen. Das sind Fußtapfen.«
    »Bemerken Sie eine Eigenthümlichkeit der Tapfen?«
    »Sie zeigen an der Ferse ein schnittartige Fortsetzung. Der, welcher hier gegangen ist, hat unbedingt Sporen getragen.«
    »Also der Hauptmann.«
    »Man könnte darauf schwören.«
    »Folgen wir der Spur.«
    Sie ritten auf der Fährte weiter, bis sie das Ufer des Flusses erreichten. Das war gerade an einer Stelle, an welcher sich eine Ueberfahrt befand. Der Fährmann stand dabei und blickte mit finsterem Ausdrucke stromabwärts. Ab er die Reiter erblickte, machte er ein verwundertes Gesicht, grüßte aber höflich.
    »Guten Morgen!« dankte der Fürst. »Wann pflegt Ihr hier Tagewerk zu beginnen?«
    »Beim Anbruch des Tages; das ist jetzt ziemlich spät.«
    »Des Nachts ist kein Fährmann hier?«
    »Nein, denn um diese Zeit fährt kein Mensch über.«
    Der Fürst stieg vom Pferde und trat an das Ufer, um den schlammigen Boden desselben zu untersuchen. An fünf Pfählen hingen ebenso viele Fährboote. Ein sechster Pfahl war ledig; aber gerade um diesen Pfahl herum bemerkte man eine große Anzahl Eindrücke eines Sporenstiefels.
    »Hat auch hier ein Boot gehangen?« fragte der Fürst.
    »Ja. Aber da ist während der Nacht irgend ein Hallunke gekommen, der es losgebunden hat, um es schwimmen zu lassen. Es kommt so oft vor, daß uns solche Streiche gespielt werden. Ich habe meinen Sohn abwärts geschickt, um zu sehen, ob das Boot zu finden ist.«
    »Hm! Der Mann, welcher hier gewesen ist, hat das Boot nicht leer schwimmen lassen. Er ist eingestiegen.«
    »Wie will man das wissen können?«
    »Sehr einfach! Seine Spuren führen zwar her aber nicht wieder zurück. Wissen Sie, was während der Nacht da in der Residenz geschehen ist?«
    »Ja, der gefangene Hauptmann soll entwichen sein.«
    »Richtig. Er ist hierher gekommen und in Ihrem Boote an das andere Ufer gefahren.«
    »Sapperlot! Sollte er es wirklich gewesen sein?«
    »Ja, Herr Doctor, bitte, reiten Sie mit den beiden Pferden schleunigst zurück und über die nächste Brücke an das andere Ufer. Ich fahre über. Da treffen wir uns.«
    Holm nahm das Pferd des Fürsten am Zügel und sprengte

Weitere Kostenlose Bücher