Der verlorne Sohn
noch! Ich muß den Schraubenschlüssel holen.«
»Und bringen Sie eine Laterne mit. Mit dem offenen Lichte läßt es sich nicht gut handiren.«
Wunderlich nahm den Leuchter und stieg nach seiner Wohnung empor. Der Lieutenant blieb geräuschlos an der Treppe lehnen. Nach ungefähr fünf Minuten kam der Erstere wieder herab.
Die Hinterthüre wurde geöffnet und dann wieder in die Klinke gedrückt. Die beiden Lauscher hörten die leisen sich entfernenden Schritte. Da flüsterte der Polizist: »Jetzt wäre der geeignetste Augenblick.«
»Ja. Wir müssen sie bei der Presse erwischen. Verlassen wir also dieses Loch!«
»Eilen Sie sogleich auf die Wache, um noch zwei oder drei Mann zu holen!«
Der Fürst öffnete die Hausthüre und der Polizist eilte fort. Es waren nicht mehr als zwei Minuten vergangen, so kehrte er mit drei Collegen zurück. Der Fürst verschloß hinter ihnen den Eingang wieder und führte sie nach der Hinterthür, welche er aufklinkte.
»Wissen Sie, um was es sich handelt?« fragte er leise.
»Ja, unser Kamerad hat es uns gesagt.«
»So horchen Sie! Hören Sie etwas?«
»Ja. Man schaufelt da drüben Kohlen.«
»Folgen Sie mir. Hier scheinen einige Stufen hinabzuführen. Machen Sie kein Geräusch. Sie lassen Keinen entkommen. Ich selbst werde eintreten.«
Sie schlichen sich hinter ihm bis höchstens drei Schritte vor die Thür. Dort blieben sie stehen. Er aber trat an den Eingang, lehnte sich an den Thürpfosten und blickte vorsichtig hinein.
Hinten in der Ecke schaufelte Wunderlich die Kohlen zur Seite. Der Lieutenant leuchtete.
»Hier ist sie,« sagte der Erstere. »Die Schaufel macht zu viel Lärm. Bitte, greifen Sie zu! Wir wollen Sie unter den Kohlen hervorziehen.«
»O weh, meine Hände!« brummte Scharfenberg. »Wo thue ich denn die Laterne hin?«
»Da an der Wand ist ein Haken. Hängen Sie sie auf!«
Dann faßten sie die Presse an und hoben sie aus dem Kohlenhaufen hervor.
»Schwerer als ich dachte!« sagte der Lieutenant, indem er seine schwarz gewordenen Hände an dem Schlafrocke Wunderlichs abwischte.
»Ja. So im Ganzen könnten wir sie gar nicht in die Grube bringen. Jetzt wollen wir sie zerlegen. Aber, bitte, reinigen Sie sich die Finger noch nicht. Sie müssen mir noch helfen.«
»Der Teufel hole dieses unsaubere Geschäft.«
Sie begannen zu arbeiten. Es dauerte nicht lang, so war die Presse zerlegt. Dann sagte Wunderlich: »So, fertig. Jetzt werde ich die Bretter von der Grube nehmen. Hinunterwerfen dürfen wir diese schweren Stücke freilich nicht; das würde zuviel Geräusch verursachen. Wir lassen sie hinab! Hier hängt ein alter Strick, der dazu geeignet ist. Fassen Sie an! Wir können gleich Jeder ein Stück mitnehmen.«
Jeder der Beiden wollte ein Stück der auseinander genommenen Presse vom Boden aufheben; da aber erklang es vom Eingange her: »Laßt die Presse liegen.«
Sie fuhren empor und herum.
»Alle guten Geister –« rief Wunderlich.
»Donnerwetter!« entfuhr es dem Lieutenant.
Der Fürst trat einen Schritt weiter herein. Der Schein der Laterne fiel auf ihn, und der Lieutenant erkannte ihn. Er trat erschrocken zurück und sagte: »Der Fürst des Elendes!«
»Ja, der bin ich. Guten Morgen, meine Herren!«
»Guten Morgen!« antwortete Wunderlich in der Angst seines Herzens.
»Darf ich fragen, womit Sie sich hier unterhalten?«
Der Lieutenant war als Officier geistesgegenwärtiger als der Rentier. Er hatte sich ziemlich gefaßt und antwortete: »Und darf ich fragen, was Sie hier wollen?«
»Ich wollte sehen, ob Sie die Wahrheit gesagt haben.«
»Welche Wahrheit?«
»Sie entsinnen sich doch jedenfalls, behauptet zu haben, daß Sie Herrn Wunderlich nicht kennen?«
»Das sagte ich allerdings.«
»Es war nicht die Wahrheit!«
»Es war die Wahrheit!«
»Ah! Und hier sind Sie bei ihm?«
»Ja, aber einfach in Folge Ihrer Mittheilung.«
»Wunderbar.«
»Das ist gar nicht wunderbar, sondern sehr begreiflich.«
»Bitte, wollen Sie es mir begreiflich machen?«
»Dazu fühle ich mich nun grade nicht berufen.«
»Das ist schade!«
»Wer nun schwer zu begreifen vermag, der mag in die Schule gehen, um seine Geisteskräfte auszubilden. Ich aber bin weder Professor noch Schulmeister.«
»Aber Falschmünzer!«
»Herr – –«
»O bitte, schreien Sie nicht so laut! Es liegt in Ihrem eigenem Interesse, daß die Bewohner dieses Hauses nicht aus dem Schlafe geweckt werden. Sie würden sich wundern, den Herrn Lieutenant von Scharfenberg bei so einer
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