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Der verruchte Spion

Der verruchte Spion

Titel: Der verruchte Spion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celeste Bradley
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noch niemals weniger zu einer Familie gehörig empfunden als in diesem Augenblick.
    Victoria war damit beschäftigt, Stoffe für ihre Trauergarderobe auszuwählen und sich auf den Kauf eines Häuschens vorzubereiten, den sie mit dem von Myrtle versprochenen Geld tätigen wollte.
    »In Brighton wahrscheinlich«, verkündete sie so beiläufig, als läge keine getrübte Stimmung über der Abendtafel. »London konzentriert sich allzu sehr auf den Heiratsmarkt. Dafür habe ich nichts mehr übrig.«
    Die anderen hatten sie nur einen kurzen Moment angestarrt und dann ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihre Teller gerichtet, wo sie das Essen lustlos hin und her schoben. Victorias Pläne für ihre eigene stilvolle Witwenschaft verdarben ihnen den Rest ihres sowieso schon kaum vorhandenen Appetits.
    Myrtle, blass, aber gefasst, hatte geäußert, sie wolle London sofort verlassen. »Das alles hat mich doch sehr mitgenommen«, sagte sie. Sie war aufgestanden und hatte sich langsam in Richtung Tür begeben. »Ich denke daran, zur Kur nach Bath zu reisen. Ihr kommt mich doch besuchen, nicht wahr?« Willa hatte genickt und gelächelt, aber Nathaniel neben ihr hatte geschwiegen und seiner Tante nur murmelnd eine gute Nacht gewünscht. Ein paar Minuten später war auch er aufgestanden, hatte seine Serviette auf den Tisch geworfen und war mit einem schnellen Kuss auf Willas Kopf ebenfalls gegangen.

    Willa saß allein an der langen, leeren Tafel. Ihr blieb nichts anderes zu tun, als ebenfalls zu Bett zu gehen – in ihrem eigenen Zimmer. Allein. »So, wie es sein sollte«, erinnerte sie sich. Sie war nicht seine Frau. Er war nicht ihr Mann.
    Natürlich, er hatte es niemals wirklich sein wollen. Sie hatte ihn eingefangen wie einen Hasen, hatte er sie einmal aufgezogen. Unfreiwillige Beute.
    Man beachte nur, wie er sich heute von ihr zurückgezogen hatte. Nathaniel war jetzt ein Held. Sein Name war ohne Makel. Seine Zukunft lag offen vor ihm, wie sie zuvor verschlossen gewesen war. Er brauchte ihre Unterstützung nicht mehr. Sie war nicht länger der sichere Hafen in seiner Einsamkeit.
    Willa saß in dem stillen, luxuriösen Zimmer und betrachte die Pracht um sich herum. Nathaniel würde sie heiraten, würde ihr seinen Namen und seinen Titel geben, sie zur Herrin seiner Besitztümer machen. Warum fühlte es sich dann so an, als würde etwas Wichtiges fehlen?
    Oh, ja. Das war’s.
    »Er liebt mich nicht.« Ihr Flüstern war sehr laut in der sie umgebenden Stille.
    Er hatte es niemals gesagt, hatte nicht einmal eine Andeutung in dieser Richtung gemacht. Sie hatte ihm gesagt, dass sie ihn liebte. Er schien es gerne zu hören, sehr gern sogar. Aber er hatte es nie zu ihr gesagt.
    Seine Anträge, beide nüchtern und zweckmäßig, bestätigten ihre Einschätzung. Nichts als Ehrenschulden. Oh, er schlief gern mit ihr, aber Willa war sich durchaus bewusst, dass die meisten Männer sehr gerne Sex hatten – mit fast jeder Frau, solange sie nur bereitwillig mitmachte.
    Willa stützte die Ellenbogen in bester Schankraumtradition auf den Tisch und vergrub das Gesicht in den Händen. »Also, das ist einfach alles verdammt deprimierend«, murmelte sie.

    Ein überhebliches Schnaufen ertönte. Willa sah auf und erblickte Hammil, der sie voller Ekel musterte, als wäre sie der Hundekot, in den er unabsichtlich getreten war. »Wenn Ihr mit Eurer … privaten Unterhaltung fertig seid, Miss Trent, würde das Personal gerne abräumen.«
    Private Unterhaltung … sprich: Gestotter einer Irren.
    Hammil war die letzte Person, die Willa im Moment zu sehen wünschte. Hammil, der immer da war, sie immerzu höhnisch betrachtete …
    Und immer zuhörte.
    Willa schaute den Butler lange gedankenverloren an. »Hammil, du hast die ganze Zeit die Gerüchte über mich in die Welt gesetzt«, stellte sie klar.
    Hammil erschrak schuldbewusst, fing an zu stottern, aber offensichtlich hatte ihn ihre Anschuldigung unvorbereitet getroffen.
    Willa schloss kurz die Augen, dann erhob sie sich freundlich lächelnd. Wenn sie schon Lady Reardon war, willige Sklavin einer unerwiderten Liebe, dann sollte es doch auch einige Vorteile haben.
    »Wenn ich Seine Lordschaft heirate, Hammil, dann bist du mit sofortiger Wirkung und unwiderruflich … gefeuert!«
     
    Die gewundene Treppe war ihr noch nie so endlos vorgekommen. Als sie an ihrem Zimmer ankam, hörte sie etwas hinter der Tür nebenan. In Nathaniels Zimmer. Es überraschte sie, dass er sich so früh schon zurückgezogen haben

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