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Der Verschollene

Der Verschollene

Titel: Der Verschollene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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allein auf dem Kanapee und begann das große von der Last der Schläfer während der langen Nacht noch immer zusammengepreßte Lager auseinanderzuwerfen, um dann jedes einzelne Stück dieser Masse ordentlich zusammenzulegen, was wohl schon seit Wochen nicht geschehen war.

    "Schau nach, Delamarche", sagte da Brunelda, "ich glaube, sie zerwerfen unser Bett. An alles muß man denken, niemals hat man Ruhe. Du mußt gegen die zwei strenger sein, sie machen sonst, was sie wollen. " "Das ist gewiß der Kleine mit seinem verdammten Diensteifer", rief Delamarche und wollte wahrscheinlich aus dem Waschraum hervorstürzen, Karl warf schon alles aus der Hand, aber glücklicherweise sagte Brunelda:
    "Nicht weggehn Delamarche, nicht weggehn. Ach, wie ist das Wasser heiß, man wird so müde. Bleib bei mir Delamarche."
    Erst jetzt merkte Karl eigentlich, wie der Wasserdampf hinter den Kästen unaufhörlich emporstieg. Robinson legte erschrocken die Hand an die Wange, als habe Karl etwas Schlimmes angerichtet. "Alles in dem gleichen Zustand lassen, in dem es war", erklang die Stimme des Delamarche, "wißt Ihr denn nicht, daß Brunelda nach dem Bade immer noch eine
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    Stunde ruht? Elende Mißwirtschaft! Wartet bis ich über Euch komme. Robinson, Du träumst wahrscheinlich schon wieder.
    Dich, Dich allein mache ich für alles verantwortlich was geschieht. Du hast den Jungen im Zaum zu halten, hier wird nicht nach seinem Kopf gewirtschaftet. Wenn man etwas will kann man nichts von Euch bekommen, wenn nichts zu tun ist, seid Ihr fleißig. Verkriecht Euch irgendwohin und wartet, bis man Euch braucht. "

    Aber gleich war alles vergessen, denn Brunelda flüsterte ganz müde, als werde sie von dem heißen Wasser überflutet: "Das Parfüm! Bringt das Parfüm! " "Das Parfü m! " schrie Delamarche. "Rührt Euch. "Ja aber wo war das Parfum? Karl sah Robinson an, Robinson sah Karl an. Karl merkte, daß er hier alles allein in die Hand nehmen müsse, Robinson hatte keine Ahnung wo das Parfüm war, er legte sich einfach auf den Boden, fuhr immerfort mit beiden Armen unter dem Kanapee herum, beförderte aber nichts anderes als Knäuel von Staub und Frauenhaaren heraus. Karl eilte zuerst zum Waschtisch, der gleich bei der Türe stand, aber in seinen Schubladen fanden sich nur alte englische Romane, Zeitschriften und Noten vor und alles war so überfüllt, daß man die Schubladen nicht schließen konnte, wenn man sie einmal aufgemacht hatte. "Das Parfüm", seufzte unterdessen Brunelda. "Wie lange das dauert! Ob ich heute noch mein Parfum bekomme! " Bei dieser Ungeduld Bruneldas durfte natürlich Karl nirgends gründlich suchen, er mußte sich auf den oberflächlichen ersten Eindruck verlassen.
    Im Waschkasten war die Flasche nicht, auf dem Waschkasten standen überhaupt nur alte Fläschchen mit Medizinen und Salben, alles andere war jedenfalls schon in den Waschraum getragen worden. Vielleicht war die Flasche in der Schublade des Eßtisches. Auf dem Weg zum Eßtisch aber – Karl dachte nur an das Parfüm, sonst an nichts – stieß er heftig mit Robinson zusammen, der das Suchen unter dem Kanapee endlich
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    aufgegeben hatte und in einer aufdämmernden Ahnung vom Standort des Parfüms wie blind Karl entgegenlief. Man hörte deutlich das Zusammenschlagen der Köpfe, Karl blieb stumm, Robinson hielt zwar im Lauf nicht ein, schrie aber um sich den Schmerz zu erleichtern, andauernd und übertrieben laut.

    "Statt das Parfum zu suchen, kämpfen sie", sagte Brunelda.
    "Ich werde krank von dieser Wirtschaft, Delamarche, und werde ganz gewiß in Deinen Armen sterben. Ich muß das Parfüm haben", rief sie dann sich aufraffend, "ich muß es unbedingt haben. Ich gehe nicht früher aus der Wanne ehe man es mir bringt und müßte ich hier bis Abend bleiben." Und sie schlug mit der Faust ins Wasser, man hörte es aufspritzen.

    Aber auch in der Schublade des Eßtisches war das Parfüm nicht, zwar waren dort ausschließlich Toilettengegenstände Bruneldas wie alte Puderquasten, Schminktöpfchen, Haarbürsten, Löckchen und viele verfitzte und
    zusammengeklebte Kleinigkeiten, aber das Parfum war dort nicht. Und auch Robinson, der noch immer schreiend in einer Ecke von etwa hundert dort aufgehäuften Schachteln und Kassetten, eine nach der andern öffnete und durchkramte, wobei immer die Hälfte des Inhalts, meist Nähzeug und Briefschaften, auf den Boden fiel und dort liegen blieb, konnte nichts finden, wie er zeitweise Karl durch Kopfschütteln und

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