Der Verschollene
pflegten. Während der Fahrt stand er, weil dies das unauffälligste war, knapp bei der Tür mit dem Rücken zu seinen Fahrgästen und hielt den Griff der Aufzugtüre, um sie im Augenblick der Ankunft plötzlich und doch nicht etwa erschreckend seitwärts weg zu stoßen. Selten nur klopfte ihm einer während der Fahrt auf die Schulter, um irgendeine kleine Auskunft zu bekommen, dann drehte er sich eilig um, als habe er es erwartet und gab mit lauter Stimme Antwort. Oft gab es trotz der vielen Aufzüge, besonders nach Schluß der Teater oder nach Ankunft bestimmter Expreßzüge, ein solches Gedränge, daß er, kaum daß die Gäste oben entlassen waren, wieder hinunterrasen mußte, um die dort Wartenden aufzunehmen. Er hatte auch die Möglichkeit, durch Ziehen an einem durch den Aufzugskasten hindurchgehenden Drahtseil, die gewöhnliche Schnelligkeit zu steigern, allerdings war dies durch die Aufzugsordnung verboten und sollte auch gefährlich sein. Karl tat es auch niemals wenn er mit Passagieren fuhr, aber wenn er sie oben abgesetzt hatte und unten andere warteten, dann kannte er keine Rücksicht, und arbeitete an dem Seil mit starken taktmäßigen Griffen, wie ein Matrose. Er wußte übrigens, daß
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dies die andern Liftjungen auch taten und er wollte seine Passagiere nicht an andere Jungen verlieren. Einzelne Gäste, die längere Zeit im Hotel wohnten, was hier übrigens ziemlich gebräuchlich war, zeigten hie und da durch ein Lächeln, daß sie Karl als ihren Liftjungen erkannten, Karl nahm diese Freundlichkeit mit ernstem Gesichte aber gerne an. Manchmal, wenn der Verkehr etwas schwächer war, konnte er auch besondere kleine Aufträge annehmen, z. B. einem Hotelgast, der sich nicht erst in sein Zimmer bemühen wollte, eine im Zimmer vergessene Kleinigkeit zu holen, dann flog er in seinem in solchen Augenblicken ihm besonders vertrauten Aufzug allein hinauf, trat in das fremde Zimmer, wo meistens sonderbare Dinge, die er nie gesehen hatte, herumlagen oder auf den Kleiderrechen hiengen, fühlte den charakteristischen Geruch einer fremden Seife, eines Parfums, eines Mundwassers und eilte ohne sich im geringsten aufzuhalten mit dem meist trotz undeutlicher Angaben gefundenen Gegenstand wieder zurück.
Oft bedauerte er größere Aufträge nicht übernehmen zu können, da hiefür eigene Diener und Botenjungen bestimmt waren, die ihre Wege auf Fahrrädern, ja sogar Motorrädern besorgten, nur zu Botengängen aus den Zimmern in die Speise- oder Spielsäle konnte sich Karl bei günstiger Gelegenheit verwenden lassen.
Wenn er nach der zwölfstündigen Arbeitszeit drei Tage um sechs Uhr abends, die nächsten drei Tage um sechs Uhr früh aus der Arbeit kam, war er so müde, daß er geradewegs ohne sich um jemanden zu kümmern in sein Bett gieng. Es lag im gemeinsamen Schlafsaal der Liftjungen, die Frau Oberköchin, deren Einfluß vielleicht doch nicht so groß war, wie er am ersten Abend geglaubt hatte, hatte sich zwar bemüht, ihm ein eigenes Zimmerchen zu verschaffen und es wäre ihr wohl auch gelungen, aber da Karl sah, welche Schwierigkeiten es machte und wie die Oberköchin öfters mit seinem Vorgesetzten, jenem so beschäftigten Oberkellner wegen dieser Sache telephonierte,
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verzichtete er darauf und überzeugte die Oberköchin von dem Ernst seines Verzichtes mit dem Hinweis darauf, daß er von den andern Jungen wegen eines nicht eigentlich selbst erarbeiteten Vorzugs nicht beneidet werden wolle.
Ein ruhiges Schlafzimmer war dieser Schlafsaal allerdings nicht. Denn da jeder einzelne die freie Zeit von zwölf Stunden verschiedenartig auf Essen, Schlaf, Vergnügen und Nebenverdienst verteilte, war im Schlafsaal immerfo rt die größte Bewegung. Da schliefen einige und zogen die Decken über die Ohren um nichts zu hören; wurde doch einer geweckt, dann schrie er so wütend über das Geschrei der andern, daß auch die übrigen noch so guten Schläfer nicht standhalten konnten.
Fast jeder Junge hatte seine Pfeife, es wurde damit eine Art Luxus getrieben, auch Karl hatte sich eine angeschafft und fand bald Geschmack an ihr. Nun durfte aber im Dienst nicht geraucht werden, die Folge dessen war, daß im Schlafsaal jeder solange er nicht unbedingt schlief auch rauchte. Infolge dessen stand jedes Bett in einer eigenen Rauchwolke und alles in einem allgemeinen Dunst. Es war unmöglich durchzusetzen, trotzdem eigentlich die Mehrzahl grundsätzlich zustimmte, daß in der Nacht nur an einem Ende des Saales das
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