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Der Verschollene

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Titel: Der Verschollene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Plätze, von denen sternförmig die Straßen auseinanderflogen, erschienen und brachten ein Getümmel in den von allen Seiten geradlinig strömenden Verkehr, aber Karl und Therese eilten, eng beisammen in die verschiedenen Bureaux, Waschanstalten, Lagerhäuser und Geschäfte, in denen telephonisch nicht leicht zu besorgende, im
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    übrigen nicht besonders verantwortliche Bestellungen oder Beschwerden auszurichten waren. Therese merkte bald, daß Karls Hilfe hiebei nicht zu verachten war, daß sie vielmehr in vieles eine große Beschleunigung brachte. Niemals mußte sie in seiner Begleitung wie sonst oft darauf warten, daß die überbeschäftigten Geschäftsleute sie anhörten. Er trat an den Pult und klopfte auf ihn solange mit den Knöcheln, bis es half, er rief über Menschenmauern sein noch immer etwas überspitztes, aus hundert Stimmen leicht herauszuhörendes Englisch hin, er gieng auf die Leute ohne Zögern zu und mochten sie sich hochmütig in die Tiefe der längsten Geschäftssäle zurückgezogen haben. Er tat es nicht aus Übermut und würdigte jeden Widerstand, aber er fühlte sich in einer sichern Stellung, die ihm Rechte gab, das Hotel occidental war eine Kundschaft, deren man nicht spotten durfte und schließlich war Therese trotz ihrer geschäftlichen Erfahrung hilfsbedürftig genug. "Sie sollten immer mitkommen", sagte sie manchmal glücklich lachend, wenn sie von einer besonders gut ausgeführten Unternehmung kamen.

    Nur dreimal während der anderthalb Monate, die Karl in Ramses blieb, war er längere Zeit über ein paar Stunden in Thereses Zimmerchen. Es war natürlich kleiner als irgend ein Zimmer der Oberköchin, die paar Dinge welche darin standen, waren gewissermaßen nur um das Fenster gelagert, aber Karl verstand schon nach seinen Erfahrungen aus dem Schlafsaal den Wert eines eigenen verhältnismäßig ruhigen Zimmers und wenn er es auch nicht ausdrücklich sagte, so merkte Therese doch, wie ihm ihr Zimmer gefiel. Sie hatte keine Geheimnisse vor ihm und es wäre auch nicht gut möglich gewesen, nach ihrem Besuch damals am ersten Abend noch Geheimnisse vor ihm zu haben.
    Sie war ein uneheliches Kind, ihr Vater war Baupolier und hatte die Mutter und das Kind aus Pommern sich nachkommen lassen, aber als hätte er damit seine Pflicht erfüllt oder als hätte er
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    andere Menschen erwartet, als die abgearbeitete Frau und das schwache Kind, die er an der Landungsstelle in Empfang nahm, war er bald nach ihrer Ankunft ohne viel Erklärungen nach Kanada ausgewandert, und die Zurückgebliebenen hatten weder eine n Brief noch eine sonstige Nachricht von ihm erhalten, was zum Teil auch nicht zu verwundern war, denn sie waren in den Massenquartieren des New Yorker Ostens unauffindbar verloren.

    Einmal erzählte Therese – Karl stand neben ihr beim Fenster und sah auf die Straße – vom Tode ihrer Mutter. Wie die Mutter und sie an einem Winterabend – sie konnte damals etwa fünf Jahre alt gewesen sein – jede mit ihrem Bündel durch die Straßen eilten, um Schlafstellen zu suchen. Wie die Mutter sie zuerst bei der Hand führte, es war ein Schneesturm und nicht leicht vorwärtszukommen, bis die Hand erlahmte und sie Therese ohne sich nach ihr umzusehn losließ, die sich nun Mühe geben mußte, sich selbst an den Röcken der Mutter festzuhalten.
    Oft stolperte Therese und fiel sogar, aber die Mutter war wie in einem Wahn und hielt nicht an. Und diese Schneestürme in den langen geraden Newyorker Straßen! Karl hatte noch keinen Winter in Newyork mitgemacht. Geht man gegen den Wind, und der dreht sich im Kreise, kann man keinen Augenblick die Augen öffnen, immerfort zerreibt einem der Wind den Schnee auf dem Gesicht, man lauft aber kommt nicht weiter, es ist etwas Verzweifeltes. Ein Kind ist dabei natürlich gegen Erwachsene im Vorteil, es lauft unter dem Wind durch und hat noch ein wenig Freude an allem. So hatte auch damals Therese ihre Mutter nicht ganz begreifen können und sie war fest davon überzeugt, daß, wenn sie sich an jenem Abend klüger – sie war eben noch ein so kleines Kind – zu ihrer Mutter verhalten hätte, diese nicht einen so jammervollen Tod hätte erleiden müssen.
    Die Mutter war damals schon zwei Tage ohne Arbeit gewesen, nicht das kleinste Geldstück war mehr vorhanden, der Tag war
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    ohne einen Bissen im Freien verbracht worden und in ihren Bündeln schleppten sie nur unbrauchbare Fetzen mit sich herum, die sie vielleicht aus Aberglauben sich nicht

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