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Der Verschollene

Der Verschollene

Titel: Der Verschollene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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immer wieder entweder irgendwelche Haare aus der Stirn strich oder diese Handbewegung um ihrer selbst willen machte.
    "Aber vielleicht erinnere ich Dich an irgendwelche Verpflichtungen. Der Mann unten hat nämlich weiterhin gesagt, daß ihr beide nach Deiner Rückkunft einen Nachtbesuch bei irgendeiner Sängerin machen werdet, deren Namen allerdings niemand verstanden hat, da ihn der Mann immer nur unter Gesang aussprechen konnte. "
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    Hier unterbrach sich der Oberkellner, denn die sichtlich
    ’bleich gewordene Oberköchin erhob sich vom Sessel, den sie ein wenig zurückstieß. "Ich verschone Sie mit dem weitern", sagte der Oberkellner. "Nein bitte nein", sagte die Oberköchin und ergriff seine Hand, "erzählen Sie nur weiter, ich will alles hören, darum bin ich ja hier. " Der Oberportier, der vortrat und sich zum Zeichen dessen, daß er von Anfang an alles durchschaut hatte, laut auf die Brust schlug, wurde vom Oberkellner mit den Worten: "Ja Sie hatten ganz recht Feodor! "
    gleichzeitig beruhigt und zurückgewiesen.

    "Es ist nicht mehr viel zu erzählen", sagte der Oberkellner.
    "Wie die Jungen eben schon sind, haben sie den Mann zuerst ausgelacht, haben dann mit ihm Streit bekommen und er ist, da dort immer gute Boxer zur Verfügung stehn, einfach niedergeboxt worden und ich habe gar nicht zu fragen gewagt, an welchen und an wieviel Stellen er blutet, denn diese Jungen sind fürchterliche Boxer und ein Betrunkener macht es ihnen natürlich leicht. "

    "So", sagte die Oberköchin, hielt den Sessel an der Lehne und sah auf den Platz, den sie eben verlassen hatte. "Also sprich doch bitte ein Wort Roßmann!" sagte sie dann. Therese war von ihrem bisherigen Platz zur Oberköchin hinübergelaufen und hatte sich, was sie Karl sonst niemals hatte tun sehn, in die Oberköchin eingehängt. Der Oberkellner stand knapp hinter der Oberköchin und glättete langsam einen kleinen bescheidenen Spitzenkragen der Oberköchin, der sich ein wenig
    umgeschlagen hatte. Der Oberportier neben Karl sagte: "Also wirds?" wollte damit aber nur einen Stoß maskieren, den er unterdessen Karl in den Rücken gab.

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    "Es ist wahr", sagte Karl infolge des Stoßes unsicherer als er wollte, "daß ich den Mann in den Schlafsaal gebracht habe. "

    "Mehr wollen wir nicht wissen", sagte der Portier im Namen aller. Die Oberköchin wandte sich stumm zum Oberkellner und dann zu Therese.

    "Ich konnte mir nicht anders helfen", sagte Karl weiter. "Der Mann ist mein Kamerad von früher her, er kam, nachdem wir uns zwei Monate lang nicht gesehen hatten, hierher, um mir einen Besuch zu machen, war aber so betrunken, daß er nicht wieder allein fortgehn konnte. "

    Der Oberkellner sagte neben der Oberköchin halblaut vor sich hin: "Er kam also zu Besuch und war nachher so betrunken, daß er nicht fortgehn konnte. " Die Oberköchin flüsterte über die Schulter dem Oberkellner etwas zu, der mit einem offenbar nicht zu dieser Sache gehörigen Lächeln Einwände zu machen schien. Therese – Karl sah nur zu ihr hin – drückte ihr Gesicht in völliger Hilflosigkeit an die Oberköchin und wollte nichts mehr sehn. Der Einzige der mit Karls Erklärung vollständig zufrieden war, war der Oberportier, welcher einigemal wiederho lte: "Es ist ja ganz recht, seinem Saufbruder muß man helfen" und diese Erklärung jedem der Anwesenden durch Blicke und
    Handbewegungen einzuprägen suchte.

    "Schuld also bin ich", sagte Karl und machte eine Pause, als warte er auf ein freundliches Wort seiner Richter, das ihm Mut zur weitern Verteidigung geben könnte, aber es kam nicht,
    "schuld bin ich nur daran, daß ich den Mann, er heißt Robinson, ist ein Irländer, in den Schlafsaal gebracht habe. Alles andere, was er gesagt hat, hat er aus Betrunkenheit gesagt und es ist nicht richtig. "
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    "Du hast ihm also kein Geld versprochen?" fragte der Oberkellner.

    "Ja", sagte Karl und es tat ihm leid, daß er daran vergessen hatte, er hatte sich aus Unüberlegtheit oder Zerstreutheit in allzu bestimmten Ausdrücken als schuldlos bezeichnet. "Geld habe ich ihm versprochen, weil er mich darum gebeten hat. Aber ich wollte es nicht holen, sondern ihm das Trinkgeld geben, das ich heute Nacht verdient hatte." Und er zog zum Beweise das Geld aus der Tasche und zeigte auf der flachen Hand die paar kleinen Münzen.

    "Du verrennst Dich immer mehr", sagte der Oberkellner.
    "Wenn man Dir glauben sollte, müßte man immer das was Du früher gesagt hast vergessen. Zuerst hast Du

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