Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Verschollene

Der Verschollene

Titel: Der Verschollene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
Vom Netzwerk:
also den Mann –
    nicht einmal den Namen Robinson glaube ich Dir, so hat, seitdem es ein Irland gibt, kein Irländer geheißen – zuerst also hast Du ihn nur in den Schlafsaal gebracht, wofür allein Du übrigens schon im Schwung herausfliegen könntest – Geld aber hast Du ihm zuerst nicht versprochen, dann wieder, wenn man Dich überraschend fragt, hast Du ihm Geld versprochen. Aber wir haben hier kein Antwort- und Fragespiel, sondern wollen Deine Rechtfertigung hören. Zuerst aber wolltest Du das Geld nicht holen, sondern ihm Dein heutiges Trinkgeld geben, dann aber zeigt sich, daß Du dieses Geld noch bei Dir hast, also offenbar doch noch anderes Geld holen wolltest, wofür auch Dein langes Ausbleiben spricht. Schließlich wäre es ja nichts Besonderes, wenn Du für ihn aus Deinem Koffer hättest Geld holen wollen, daß Du es aber mit aller Kraft leugnest, das ist allerdings etwas Besonderes. Ebenso wie Du auch immerfort verschweigen willst, daß Du den Mann erst hier im Hotel betrunken gemacht hast, woran ja nicht der geringste Zweifel ist,
    -182-

    denn Du selbst hast zugegeben, daß er allein gekommen ist, aber nicht allein weggehn konnte und er selbst hat ja im Schlafsaal herumgeschrien, daß er Dein Gast ist. Fraglich also bleiben jetzt nur noch zwei Dinge, die Du, wenn Du die Sache vereinfachen willst, selbst beantworten kannst, die man aber schließlich auch ohne Deine Mithilfe wird feststellen können: Erstens wie hast Du Dir den Zutritt zu den Vorratskammern verschafft und zweitens wieso hast Du verschenkbares Geld angesammelt?"

    "Es ist unmöglich sich zu verteidigen, wenn nicht guter Wille da ist", sagte sich Karl und antwortete dem Oberkellner nicht mehr, so sehr darunter wahrscheinlich Therese litt. Er wußte, daß alles was er sagen konnte, hinterher ganz anders aussehen würde als es gemeint gewesen war und daß es nur der Art der Beurteilung überlassen bliebe, Gutes oder Böses vorzufinden.

    "Er antwortet nicht", sagte die Oberköchin.

    "Es ist das Vernünftigste, was er tun kann", sagte der Oberkellner.

    "Er wird sich schon noch etwas ausdenken", sagte der Oberportier und strich mit der früher grausamen Hand behutsam seinen Bart.

    "Sei still", sagte die Oberköchin zu Therese, die an ihrer Seite zu schluchzen begann, "Du siehst, er antwortet nicht, wie kann ich denn da etwas für ihn tun. Schließlich bin ich es, die vor dem Herrn Oberkellner Unrecht behält. Sag doch Therese, habe ich Deiner Meinung nach etwas für ihn zu tun versäumt?" Wie konnte das Therese wissen und was nützte es, daß sich die Oberköchin durch diese öffentlich an das kleine Mädchen
    -183-

    gerichtete Frage und Bitte vor den beiden Herren vielleicht viel vergab?

    "Frau Oberköchin", sagte Karl, der sich noch einmal aufraffte, aber nur um Therese die Antwort zu ersparen, zu keinem andern Zweck, "ich glaube nicht, daß ich Ihnen irgendwie Schande gemacht habe und nach genauer Untersuchung müßte das auch jeder andere finden. "

    "Jeder andere", sagte der Oberportier und zeigte mit dem Finger auf den Oberkellner, "das ist eine Spitze gegen Sie, Herr Isbary. "

    "Nun Frau Oberköchin", sagte dieser, "es ist halb sieben, hohe und höchste Zeit. Ich denke, Sie lassen mir am besten das Schlußwort in dieser schon allzu duldsam behandelten Sache. "

    Der kleine Giacomo war hereingekommen, wollte zu Karl treten, ließ aber, durch die allgemein herrschende Stille erschreckt, davon ab und wartete.

    Die Oberköchin hatte seit Karls letzten Worten den Blick nicht von ihm gewendet und es deutete auch nichts darauf hin, daß sie die Bemerkung des Oberkellners gehört hatte. Ihre Augen sahen voll auf Karl hin, sie waren groß und blau, aber ein wenig getrübt durch das Alter und die viele Mühe. Wie sie so dastand und den Sessel vor sich schwach schaukelte, hätte man ganz gut erwarten können, sie werde im nächsten Augenblicke sagen: "Nun Karl, die Sache ist, wenn ich es überlege, noch nicht recht klar gestellt und braucht wie Du es richtig gesagt hast noch eine genaue Untersuchung. Und die wollen wir jetzt
    -184-

    veranstalten, ob man sonst damit einverstanden ist oder nicht, denn Gerechtigkeit muß sein. "

    Statt dessen aber sagte die Oberköchin nach einer kleinen Pause, die niemand zu unterbrechen gewagt hatte – nur die Uhr schlug in Bestätigung der Worte des Oberkellners halb sieben und mit ihr, wie jeder wußte, gleichzeitig alle Uhren im ganzen Hotel, es klang im Ohr und in der Ahnung wie das zweimalige

Weitere Kostenlose Bücher