Der Verschollene
lief durch die schwüle Luft eigentlich langsamer als er beabsichtigt hatte zur Tür, war aber glücklich draußen, ehe der Oberportier in seinem schweren Mantel sich auch nur hatte erheben können. Die Organisation des Wachdienstes mußte doch nicht so mustergültig sein, es läutete zwar auf einigen Seiten, aber Gott weiß zu welchen Zwecken, Hotelangestellte giengen zwar im Torgang in solcher Anzahl kreuz und quer, daß man fast daran denken konnte, sie wollten in unauffälliger Weise den Ausgang unmöglich machen, denn viel sonstigen Sinn konnte man in diesem Hin- und Hergehn nicht erkennen –
jedenfalls kam Karl bald ins Freie, mußte aber noch das Hoteltrottoir entlang gehn, denn zur Straße konnte man nicht gelangen, da eine ununterbrochene Reihe von Automobilen stockend sich am Haupttor vorbeibewegte. Diese Automobile waren, um nur so bald als möglich zu ihrer Herrschaft zu kommen, geradezu ineinandergefahren, jedes wurde vom nachfolgenden vorwärtsgeschoben. Fußgänger, die es besonders eilig hatten auf die Straße zu gelangen, stiegen zwar hie und da durch die einzelnen Automobile hindurch, als sei dort ein öffentlicher Durchgang und es war ihnen ganz gleichgültig, ob im Automobil nur der Chauffeur und die Dienerschaft saß oder auch die vornehmsten Leute. Ein solches Benehmen schien aber Karl doch übertrieben und man mußte sich wohl in den Verhältnissen schon auskennen, um das zu wagen, wie leicht konnte er an ein Automobil geraten, dessen Insassen das
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übelnahmen, ihn hinunterwarfen und einen Skandal veranlaßten und nichts hatte er als ein entlaufener, verdächtiger Hotelangestellter in Hemdärmeln mehr zu fürchten. Schließlich konnte ja die Reihe der Automobile nicht in Ewigkeit so fortgehn und er war auch, solange er sich ans Hotel hielt, eigentlich am unverdächtigsten. Tatsächlich gelangte Karl endlich an eine Stelle wo die Automobilreihe zwar nicht aufhörte, aber zur Straße hin abbog und lockerer wurde. Gerade wollte er in den Verkehr der Straße schlüpfen, in dem wohl noch viel verdächtiger aussehende Leute als er war, frei herumliefen, da hörte er in der Nähe seinen Namen rufen. Er wandte sich um und sah wie zwei ihm wohlbekannte Liftjungen aus einer niedrigen kleinen Türöffnung, die wie der Eingang einer Gruft aussah, mit äußerster Anstrengung eine Bahre herauszogen, auf der wie Karl nun erkannte, wahrhaftig Robinson lag, Kopf, Gesicht und Arme mannigfaltig umbunden. Es war häßlich anzusehn, wie er die Arme an die Augen führte, um mit dem Verbande die Tränen abzuwischen, die er vor Schmerzen oder vor sonstigem Leid oder gar vor Freude über das Wiedersehen mit Karl vergoß. "Roßmann", rief er vorwurfsvoll, "warum läßt Du mich denn solange warten. Schon eine Stunde verbringe ich damit, mich zu wehren, damit ich nicht früher wegtransportiert werde ehe Du kommst. Diese Kerle" – und er gab dem einen Liftjungen ein Kopfstück, als sei er durch die Verbände vor Schlägen geschützt – "sind ja wahre Teufel. Ach Roßmann der Besuch bei Dir ist mir teuer zu stehn gekommen. " "Was hat man Dir denn gemacht?" sagte Karl und trat an die Bahre heran, welche die Liftjungen um sich auszuruhn lachend niederstellten.
"Du fragst noch", seufzte Robinson, "und siehst wie ich ausschaue. Bedenke! Ich bin ja höchstwahrscheinlich für mein ganzes Leben zum Krüppel geschlagen. Ich habe fürchterliche Schmerzen von hier bis hier" – und er zeigte zuerst auf den Kopf und dann auf die Zehen –. "Ich möchte Dir wünschen, daß Du gesehen hättest wie ich aus der Nase geblutet habe. Meine
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Weste ist ganz verdorben, die habe ich überhaupt dort gelassen, meine Hosen sind zerfetzt, ich bin in Unterhosen" – und er lüftete die Decke ein wenig und lud Karl ein unter sie zu schauen. "Was wird nur aus mir werden! Ich werde zumindest einige Monate liegen müssen und das will ich Dir gleich sagen, ich habe niemanden andern als Dich der mich pflegen könnte, Delamarche ist ja viel zu ungeduldig. Roßmann, Roßmannchen!
" Und Robinson streckte die Hand nach dem ein wenig zurücktretenden Karl aus, um ihn durch Streicheln für sich zu gewinnen. "Warum habe ich Dich nur besuchen müssen! "
wiederholte er mehrere Male, um Karl die Mitschuld nicht vergessen zu lassen, die dieser an seinem Unglück hatte. Nun erkannte zwar Karl sofort, daß das Klagen Robinsons nicht von seinen Wunden, sondern von dem ungeheueren Katzenjammer stammte, in dem er sich befand, da er in schwerer
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