Der Verschollene
"Halloh", rief er mit größter Anstrengung um sich verständlich zu machen, "ist Robinson auch da?" "Ja", antwortete Karl, von einem zweiten viel lautern"Ja" Robinsons aus dem Wagen kräftig unterstützt. "Halloh", rie f es zurück, "ich komme gleich. " Robinson beugte sich aus dem Wagen. "Das ist ein Mann", sagte er und dieses Lob Delamarches war an Karl gerichtet, an den Chauffeur, an den Polizeimann und an jeden, der es hören wollte. Oben auf dem Balkon, den man aus Zerstreutheit noch ansah, trotzdem ihn Delamarche schon verlassen hatte, erhob sich nun unter dem Sonnenschirm tatsächlich eine starke Frau in rotem Kleid, nahm den Operngucker von der Brüstung und sah durch ihn auf die Leute hinunter, die nur allmählich die Blicke von ihr wendeten. Karl sah in Erwartung des Delamarche in das Haustor und weiterhin
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in den Hof, den eine fast ununterbrochene Reihe von Geschäftsdienern durchquerte, von denen jeder eine kleine, aber offenbar sehr schwere Kiste auf der Achsel trug. Der Chauffeur war zu seinem Wagen getreten und putzte um die Zeit auszunützen, mit einem Fetzen die Wagenlaternen. Robinson befühlte seine Gliedmaßen, schien erstaunt über die geringen Schmerzen zu sein, die er trotz größter Aufmerksamkeit fühlen konnte und begann vorsichtig mit tief geneigtem Gesicht einen der dicken Verbände am Bein zu lösen. Der Polizeimann hielt sein schwarzes Stöckchen quer vor sich und wartete still mit der großen Geduld, die Polizeileute haben müssen, ob sie im gewöhnlichen Dienst oder auf der Lauer sind. Der Bursche mit der zerfressenen Nase setzte sich auf einen Torstein und streckte die Beine von sich. Die Kinder näherten sich Karl allmählich mit kleinen Schritten, denn dieser schien ihnen, trotzdem er sie nicht beachtete, wegen seiner blauen Hemdärmel der wichtigste von allen zu sein.
An der Länge der Zeit, die bis zur Ankunft Delamarches vergieng, konnte man die große Höhe dieses Hauses ermessen.
Und Delamarche kam sogar sehr eilig mit nur flüchtig zugezogenem Schlafrock. "Also da seid Ihr! " rief er, erfreut und streng zugleich. Bei seinen großen Schritten enthüllte sich stets für einen Augenblick seine färbige Unterkleidung. Karl begriff nicht ganz, warum Delamarche hier in der Stadt, in der riesigen Mietskaserne, auf der offenen Straße so bequem angezogen herumgieng, als sei er in seiner Privatvilla. Ebenso wie Robinson hatte auch Delamarche sich sehr verändert. Sein dunkles, glatt rasiertes, peinlich reines, von roh ausgearbeiteten Muskeln gebildetes Gesicht sah stolz und respekteinflößend aus.
Der grelle Schein seiner jetzt immer etwas zusammengezogenen Augen überraschte. Sein violetter Schlafrock war zwar alt, fleckig und für ihn zu groß, aber aus diesem häßlichen Kleidungsstück bauschte sich oben eine mächtige dunkle
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Kravatte aus schwerer Seide. "Nun?" fragte er alle insgesammt.
Der Polizeimann trat ein wenig näher und lehnte sich an den Motorkasten des Automobils. Karl gab eine kleine Erklärung.
"Robinson ist ein wenig marod, aber wenn er sich Mühe gibt, wird er schon die Treppen hinaufgehn können; der Chauffeur hier will noch eine Nachzahlung zum Fahrtgeld, das ich schon bezahlt habe. Und jetzt gehe ich. Guten Tag. " "Du gehst nicht", sagte Delamarche. "Ich habe es ihm auch schon gesagt", meldete sich Robinson aus dem Wagen. "Ich gehe doch", sagte Karl und machte ein paar Schritte. Aber Delamarche war schon hinter ihm und schob ihn mit Gewalt zurück. "Ich sage, Du bleibst", rief er. "Aber laßt mich doch", sagte Karl und machte sich bereit, wenn es nötig sein sollte, mit den Fäusten sich die Freiheit zu verschaffen, so wenig Aussicht auf Erfolg gegenüber einem Mann wie Delamarche auch war. Aber da stand doch der Polizeimann, da war der Chauffeur, hie und da giengen Arbeitergruppen durch die sonst freilich ruhige Straße, würde man es denn dulden daß ihm von Delamarche ein Unrecht geschehe? In einem Zimmer hätte er mit ihm nicht allein sein wollen, aber hier? Delamarche zahlte jetzt ruhig dem Chauffeur, der unter vielen Verbeugungen den unverdient großen Betrag einsteckte und aus Dankbarkeit zu Robinson gieng und mit diesem offenbar darüber sprach, wie er am besten
herausbefördert werden könnte. Karl sah sich unbeobachtet, vielleicht duldete Delamarche ein stillschweigendes Fortgehn leichter, wenn Streit vermieden werden konnte, war es natürlich am besten und so gieng Karl einfach in die Fahrbahn hinein um möglichst rasch
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