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Der verschwundene Gast - Ani, F: verschwundene Gast

Der verschwundene Gast - Ani, F: verschwundene Gast

Titel: Der verschwundene Gast - Ani, F: verschwundene Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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junge Mütter mit Babys im Schoß tranken Latte macchiato und zogen ihr Handy in dem Moment aus der Tasche, in dem ihre Freundinnen auf die Toilette gingen.
    Immer wieder schaute Tabor Süden auf die andere Straßenseite und dachte daran, dass es diese Art Tagesmenschen – Müßiggänger, Kaffeetrinker, Blickeverschwender – in dem Viertel, in dem er wohnte, nicht gab. Als hätte dort die Zeit eine andere Bedeutung, als wäre in Giesing für die Leichtigkeit die Luft zu schwer.
    »Wie lange haben Sie Sonntagnacht auf ihn gewartet?« fragte Sonja Feyerabend.
    »Bitte?« In tiefen Zügen rauchte Karla ihre Zigarette. »Gewartet? Ja, ich hab gewartet, ich war ja zuhause. Bis Mitternacht. Dann bin ich ins Bett.« Sie warf einen Blick durch die Tür der Drogerie. »Ich darf hier nicht stehen, wir haben strenge Regeln, meine Kollegin kommt gleich, wenn die mich hier sieht, schimpft sie. Die weiß ja, was ich früher gemacht hab, die denkt, sie kann mich schikanieren, weil ich hier gelandet bin. Aber lang bleib ich nicht mehr, mir reicht’s nämlich. Mir reicht’s bis übern Hals.«
    »Sie waren Chefsekretärin«, sagte Süden.
    »Ich war bei Siemens, bis uns die Koreaner das Wasser abgegraben haben. Ich bin ein Kollateralschaden, wie die anderen dreihundert Kollegen auch. Die haben uns verarscht, die Asiaten, und das haben wir gespürt, aber getan hat keiner was dagegen. Wozu auch? Die Bosse kriegen ihr Gehalt weiter. Und dann ist mein Mann auch noch mit seinem Geschäft pleitegegangen, das war’s dann. Wir mussten umziehen. Raus aus dem Altbau, rein in den Neubau. Hätte schlimmer kommen können, wohnungstechnisch.«
    »Sie wohnen in der Ohmstraße«, sagte Süden. »Sie und Ihr Mann.«
    »Nah am Englischen Garten. Immerhin.«
    »Nachdem er sein Bekleidungsgeschäft schließen musste, nahm Ihr Mann keinen neuen Job an«, sagte Sonja. »Trotzdem geht er jeden Tag ins Gasthaus.«
    Karla trat ihre Zigarette aus. »Ich muss jetzt rein. Bitte finden Sie ihn. Womöglich hat er sich was angetan, das hab ich doch Ihren Kollegen in der Türkenstraße schon gesagt.«
    »Haben Sie heut schon in dem Gasthaus angerufen, in das er immer geht?«, fragte Sonja.
    »Im Weinbauern? Nein. Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Bitte? Hab ich in der Aufregung vergessen. Entschuldigung. Ich ruf gleich an, sofort.«
    »Das brauchen Sie nicht«, sagte Süden. »Wir fahren hin.«
    »Danke«, sagte Karla Leimer mit dünner Stimme.Sie verschwand im Laden, wo drei Frauen an der Kasse warteten.
    Nach längerem Schweigen sagte Süden: »Wir wissen noch nichts.«
    Sonja knöpfte ihren Mantel auf. »Ich möcht jetzt einen Cappuccino trinken und dazu ein Tramezzino mit Tomaten und Ruccola essen. Kommst du mit?«
    »Unbedingt«, sagte Süden.
    Das belegte Weißbrot blieb an ihm hängen. Kaum hatten sie ihre Bestellung aufgegeben, klingelte Sonjas Handy. In den Alpen waren ein Hubschrauber, besetzt mit sieben Passagieren, und ein Leichtflugzeug, in dem nur der Pilot saß, aus noch ungeklärtem Grund zusammengestoßen. Es gab keine Überlebenden. Vier der Hubschrauberpassagiere stammten aus München und der näheren Umgebung, und solange sie nicht identifiziert waren, galten sie als vermisst.
    Flugzeugabstürze, Eisenbahnunglücke, Überschwemmungen – Katastrophen, denen viele Menschen zum Opfer fielen, gehörten ebenso zum Aufgabenbereich der Vermisstenstelle im Dezernat 11 wie jene Fälle, bei denen nach einem Verschwundenen gefahndet wurde, für den, wie es in den Dienstvorschriften hieß, eine Gefahr für Leben oder körperliche Unversehrtheit bestand. Hielten die Fahnder einen Selbstmord, eine Straftat oder einen Unglücksfall für möglich, vernetzten sie die Daten des Gesuchten mit dem INPOL-System des Landeskriminalamtes, welches wiederum an die BKA-DateiVERMI/UTOT angeschlossen ist, in der sämtliche Angaben über bundesweit vermisste Personen und unbekannte Tote gespeichert waren.
    Die zentrale Aufgabe der Kommissare bei Unglücksfällen wie einem Tsunami mit Tausenden von toten Urlaubern ist, Unmengen von Details zu sammeln – Zahnschemata, spezielle körperliche Merkmale wie Tätowierungen oder Narben, Informationen über Bekleidung und besondere Verhaltensweisen, die Rekonstruktion der Lebensumstände –, die den Ärzten und Ermittlern vor Ort eine einwandfreie Identifizierung der zum Teil übel verstümmelten Leichen ermöglichen sollten.
    In der Vermisstenstelle an der Bayerstraße arbeiteten dreizehn Kommissare, von denen derzeit drei krank

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