Der verschwundene Gast - Ani, F: verschwundene Gast

erscheinen müssen.«
    Ein Lächeln umspielte Leimers schmalen Mund. »Ich werd eine Erscheinung sein«, sagte er und hörte auf zu lächeln. »Ich muss eine Erscheinung sein. Alles kaputt.«
    Wieder saß er eine Weile stumm da, vornübergebeugt. Dann hob er den Kopf und sah Süden an. »Und wenn Sie mich nicht gefunden haben? Und wenn Sie mich nie finden? Sie sind aus bloßem Verdacht hergekommen. Und wenn sich Ihr Verdacht nicht bestätigt hat? Wenn Sie sagen, die Frau Grotwohl weiß nichts? Wenn Sie sich auf unsere Seite schlagen? Wenn Sie versuchen zu verstehen, was ich mein? Wenn Sie mein Verschwundensein unterstützen? Ich schad niemand. Bin nur weg. Bahn frei für alle anderen. Können Sie nicht einfach wieder gehen? Wieso haben Sie mich überhaupt gefunden? Ist doch ganz zwecklos eigentlich. Ich will nicht als Zeuge erscheinen. Ich will nie wieder irgendwo in dieser Stadt erscheinen. Wieso verstehen Sie das nicht, Herr Kommissar?«
    Süden schwieg.
    In den entscheidenden Momenten hatten der Pilot des Hubschraubers und Karl Lukas, der fünfundsechzigjährige Pilot des Sportflugzeugs, keinenBlickkontakt. Andernfalls wären »hundertprozentig noch Ausweichmanöver geschehen«, erklärte ein Experte für Flugsicherung am Unglücksort.
    Von der vierzehnjährigen Schülerin Sandra Wink, die nach Aussagen zweier Freundinnen in einen weißen Kombi gestiegen war, fehlte noch immer jede Spur.
    Im Augustinerstüberl an der Tegernseer Landstraße, wo er oft mit Martin Heuer am Tresen gesessen und unwesentlich geredet hatte, trank Tabor Süden in dieser Nacht mehrere Biere und kühlte mit den Gläsern seine geschwollene Wange. Auf Radio Arabella liefen Hits aus der Vergangenheit. Süden war Stammgast in dem alten, verrauchten Lokal mit den Pokalen und Wimpeln über dem Ausschank. Aber wenn er eines Tages nicht mehr käme, würde ihn niemand vermissen.
    Dieser Gedanke versetzte ihn in eine beschwingte Stimmung, und er bestellte einen doppelten Averna ohne Eis und Zitrone.
    [ENDE]

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