Der verschwundene Weihnachtsengel: Ein Weihnachtskrimi in 24 Kapiteln
haben die Geschwister ihr nächtliches Abenteuer gut überstanden. »Habt ihr gewusst, dass Gerd Bröhn der letzte Nachfahre der Rhodenbergs ist?«, fragt Jakob.
»Das hat er uns gestern erzählt«, sagt Papa. »Er hat sich auch tausendmal entschuldigt. Ich bin mir sicher, diese ganze Aufregung um den verschwundenen Weihnachtsengel hat er nicht gewollt.«
»Muss er jetzt ins Gefängnis?«, fragt Laura.
»Das wissen wir nicht. Bestimmt wird er eine Strafe bekommen«, sagt Mama. »Aber bis der Diebstahl vor Gericht verhandelt wird, bleibt er erst einmal frei.«
»Wie habt ihr uns denn nun gefunden?«, will Jakob endlich wissen.
»Das war ein unglaubliches Glück«, sagt Papa. »Als Laura nicht zur Generalprobe erschien, rief uns Pfarrer Klingelmann an. Mama und ich sind dann sofort zu Ronnie gefahren, der uns erzählte, dass ihr zu Gerd Bröhn wolltet. Dort war aber auch niemand. Da haben wir die Polizei gerufen. Die haben sofort eine Suche organisiert.«
»Papa und ich haben dann noch alle anderen Orte abgefahren, wo ihr sein könntet. Wir waren auch bei Frau Knukel. Sie hat uns Lady mitgegeben«, erzählt Mama weiter. »Die alte Pudeldame hat eure Witterung aufgenommen und euch letztendlich gefunden.«
Jakob schaut betroffen in die Runde. »Wir haben ganz schönes Glück gehabt, nicht wahr?«
»Ziemlich«, sagt Papa und umarmt seine Kinder. Auch Mama drückt Jakob und Laura fest. Als wolle sie sie nie wieder loslassen.
Eigentlich könnte jetzt alles gut sein. Aber gegen Mittag ereignet sich eine neue Katastrophe. Laura steht im Flur und schluchzt hysterisch. Sie hat ihr Rüschenkleid angezogen. Doch es sitzt eng wie die Pelle einer Wurst. »Das Kleid ist eingelaufen«, schluchzt sie. »Wir müssen den Auftritt sofort absagen!«
Aber Mama, die ebenfalls herbeigeeilt ist, winkt ab. »Kein Problem, mein Schatz!«, ruft sie. »Ich habe ein anderes Kleid für dich. Frau Knukel hat mir gestern ihr Engelkleid mitgegeben. Das Kleid, das sie trug, als sie selbst einmal der Weihnachtsengel war! Es soll dir Glück bringen.«
Eilig holt Mama das Gewand herbei. Es ist aus einer schweren weißen Seide mit langen Trompetenärmeln und einer kleinen schlichten Schleppe.
»Das ist ja ein Traum!«, ruft Laura ehrfurchtsvoll. Als sie es anprobiert, sitzt es wie angegossen.
»Oh, ein wahrhaftiger Engel«, staunt Jakob. So hübsch hat er seine Schwester noch nie gesehen! Was für ein Glück, dass das scheußliche Rüschendings eingelaufen ist!
Am frühen Nachmittag geht es endlich los. Am Stadttor haben sich bereits zahlreiche Kinder mit ihren Müttern eingefunden. Es gibt einen Stand mit Kuchen und warmen Getränken. Für Laura ist ein kleines Zelt aufgebaut, in dem sie unbeobachtet ihre Flügel anlegen kann und es während des Wartens warm hat.
Zu seiner großen Freude trifft Jakob Ronnie. Sie umarmen sich herzlich. »Warum bist du nicht zum Treffpunkt gekommen?«, will Jakob wissen.
»Tut mir leid, ich hatte Hausarrest«, sagt Ronnie.
Jakob lacht. »Zum Glück, sonst hätten wir zu dritt in der Grube gesessen und man hätte uns nicht so schnell gefunden!«
Dann ist es Zeit. Laura verlässt das Zelt. Ernst und würdevoll schreitet sie mit einer Kerze in der Hand durch die Gassen, die von Hunderten Rhodenberger Einwohnern und Gästen aus aller Welt gesäumt sind. Am Marktplatz schließlich treffen Laura und ihr Gefolge aus Müttern und Kindern auf die wartenden Männer. Zur Erinnerung an die Gefangenschaft durch Ritter Rossau, haben sie sich an den Händen gefasst, so als seien sie von Ketten gefesselt. In dem Moment, als Laura die Kirche betritt, reißen sich die Männer voneinander los und fallen ihren Frauen und Kindern in die Arme.
Dann folgen alle Laura in die Kirche. Andächtig ziehen sie an dem geschnitzten Weihnachtsengel, dem Ebenbild Dorothea von Holdensteins, vorbei. Auch Jakobs und Ronnies Ritterburg steht hier und wird eifrig bestaunt. Rasch ist die Kirche überfüllt. Für alle, die nicht mehr hineinpassen, wird die Ansprache des Weihnachtsengels auf einer Videogroßbildleinwand nach draußen übertragen. Mit großem Stolz beobachtet Jakob, wie Laura mit Engelsruhe auf das Zeichen des Orgelspielers wartet. Endlich haben alle Gäste in der Kirche Platz genommen, es erklingen die verabredeten Akkorde und Laura beginnt zu sprechen.
Wenn in den winterdunklen Tagen
uns die schlimmsten Nöte plagen.
Wenn wir allein sind und verfroren,
Und alle Hoffnung scheint verloren,
Kommt auf unsren Hilfeschrei
Ein
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