Der versoffene Papagei
Händen gehalten hatte, vor sich auf den Tisch. Dann nickte er langsam. »Ja, soweit stimmt das.«
»Also gut«, fuhr ich fort. »Natürlich kannten Sie auch das Mordgerücht, das im Theater umging. Sie wußten von dem Gerede der drei jungen Schauspieler, die sich einen Spaß daraus gemacht haben, Murchison zu ängstigen. Für Sie nun, Mr. Walsh, war das die Lösung. Sie wollten der Polizei einen Weg zeigen, zugleich aber wollten Sie keinesfalls, daß ein Unschuldiger für Ihre Tat büßen sollte. Deshalb nahmen Sie nach der Vorstellung eins der drei kleinen Fläschchen, füllten es mit Atropin und gossen es wieder aus, so daß es unauffällig und leer neben den anderen beiden stand. Sie rechneten damit, daß kein Gericht der Welt einen Mord durch drei teilen kann, und Sie rechneten damit, daß überhaupt niemand des Mordes angeklagt werden konnte. Korrigieren Sie mich, wenn ich etwas Falsches sage.«
»Es war so«, murmelte er, und ich fuhr fort:
»Den vergifteten Whisky in der großen Flasche mußten Sie nun aber auch noch beseitigen. Sie leerten daher die Flasche einfach in das Waschbecken und spülten Wasser nach. Allerdings taten Sie das ausgerechnet in Murchisons Garderobe, Und da passierte die Katastrophe: zu spät bemerkten Sie, daß Sie dabei von dem Nachtwächter Hankock beobachtet worden waren. Es blieb Ihnen daher gar nichts anderes übrig, als Hankock mit Murchisons Pistole zu erschießen. Der einzige Zeuge, der Ihren Plan durchkreuzen konnte, war damit ausgeschaltet. Man hätte Sie sonst als Murchisons Mörder entlarven können. Sie haben, um keine Blutspuren zu hinterlassen, Hankock mit dem Handtuch verbunden, ihn hinausgeschleppt und in seinen Wagen gesetzt. Sie arbeiteten mit Handschuhen, damit kein Fingerabdruck Sie verraten konnte. Dann sind Sie wieder ins Theater zurückgekehrt, haben sich in der Garderobe Nummern umgesehen und zufällig Hays’ Streichholzetui entdeckt. Sie warfen es in Murchisons Garderobe auf den Boden, wahrscheinlich schoben Sie es unter den Schrank. Ich habe es nämlich beim erstenmal , als Bray , Sie und ich in der Garderobe waren, nicht gesehen. Erst als ich später mit Ihnen allein noch mal zurückkam, lag es da. Damals dachte ich jedoch, wir hätten es nur übersehen. Ihr Fehler war das Etikett auf der Whiskyflasche, und Ihr Pech war, daß ich die Flasche auf der Bühne fotografiert hatte. Ich glaube, daß Sie das auch befürchtet haben; denn deswegen schickten Sie mir einen Mann in die Wohnung, der die Fotos haben wollte und sie zufällig auch bekam. Die allerletzte Chance für Sie wäre es gewesen, wenn mir das Etikett nicht aufgefallen wäre. Es ist mir aufgefallen, Mister Walsh.«
Es war mindestens drei Minuten lang ganz still im Zimmer; ich hörte nur seinen schweren Atem. Er saß völlig regungslos auf seinem Stuhl.
Endlich schob er die Fotos auf dem Tisch beiseite. Sein Blick war jetzt nicht mehr starr, sondern ruhig und klar.
Er rückte den Tisch ein wenig von sich und sagte:
»Ich habe mich sehr geirrt, Mister Veramonte . Ich nehme an, daß Sie mich jetzt mit zur Polizei nehmen werden.«
»Ja, ich kann nicht anders.«
Er ging, während ich die Fotos wieder einsteckte, an mir vorbei. Ich machte ihm die Tür auf und schloß sie hinter ihm.
»Ich habe Ihre Tochter fortgeschickt«, sagte ich. »Sie weiß es noch nicht.«
»Danke«, sagte er. »Darf ich hier hinein?«
Er hatte die Badezimmertüre halb geöffnet.
»Natürlich«, sagte ich. »Ich kann inzwischen telefonieren.«
Er verschwand im Badezimmer. Ich kehrte ins Wohnzimmer zurück, rief den FBI an und ließ mich über Funk mit Bray verbinden, der unterwegs war.
Ich sagte ihm mit freudloser Stimme:
»Ich habe den Mann, der Murchison und Hankock getötet hat. Ich kann in einer Dreiviertelstunde in Ihrem Büro sein.«
Bray versprach mir, sofort in sein Büro zu kommen. Ich hängte ein, und als ich auf die Diele trat, stand Walsh schon da und wartete auf mich.
Während der Fahrt in die Spring Street sprachen wir nicht. Nur einmal fragte Walsh :
»Haben Sie Kinder, Mister Veramonte ?«
Merkwürdig — die gleiche Frage hatte mir vor kurzem schon jemand gestellt.
»Nein«, sagte ich. »Ich werde morgen heiraten.«
Ich sah sein Gesicht im Rückspiegel. Er lächelte bitter.
»Vielleicht«, murmelte er, »ist es genauso schlimm, wenn man seine Kinder zu sehr liebt, als wenn man gar keine hat.«
Ich hielt vor dem großen Bau des FBI, stieg aus und half Walsh aus dem Wagen. Als wir zur Treppe
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