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Der Vollzeitmann

Titel: Der Vollzeitmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
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spät. Er drückte das Kreuz durch. Er fühlte sich wie Rocky, der durch eine Menge jubelnder Zuschauer auf den Ring zu marschiert. Jetzt gab es kein Zurück mehr.

    Als sich Jochens Augen an den Nikotinnebel des Strandkorbs gewöhnt hatten, sah er, was seine Ohren bereits geahnt hatten: Party-Alarm. Bretti hatte die Wirtin im Arm, beide schwenkten ein Wasserglas mit Birnenschnaps und grölten: »Ich will’ne Frau ohne Arschgeweih!« Prinzipiell hatte Jochen nichts gegen Mickie Krauses Malle-Hits einzuwenden, jedenfalls nicht jenseits von zwei Promille.
    »Wir feiern Verlobung«, grölte die Wirtin, die wie jeden Abend die Lampen an hatte. Bretti küsste sie auf die Stirn und schrie: »Und du wirst meine Brautjungfer.« Der ganze Laden grölte, mindestens zwei Dutzend Zechbrüder.
    Jochen hatte sich ein gepflegtes Zweier-Besäufnis mit seinem einzigen Freund gewünscht, wenn er schon die ganze Nacht auf Bretti wartete, aber keine Polonaise mit all diesen Vollspaten hier. Er war nicht nur beleidigt, er war aufrichtig traurig. Bretti merkte sofort, was los war.
    »Komm mal her, mein Alter«, sagte er und zog Jochen ganz dicht an sich heran. Jochen musste kämpfen, um nicht hemmungslos loszuheulen.
    »Nimm erst mal’ne Birne«, sagte die Wirtin und reichte Jochen ein halb volles Wasserglas.

    Jochen stürzte den Schnaps in einem Zug hinab in die Kehle. Immer wenn es brannte, wusste der Mann, dass er noch lebte. Das war einer von Brettis Sprüchen, die ewige Wahrheit bargen.

3 UHR

    Martin und Holtkötter lagen sich zum Abschied in den Armen. Martin durfte jetzt »Peer« zu ihm sagen. Wirklich dufter Typ, der Peer, bisschen sperrig am Anfang, aber dann eine Seele von Mensch.
    Der entscheidende Moment war gewesen, als Martin aus dem Kinderzimmer zurückkam und berichtete, dass Otto im Stehen gepinkelt hatte, einfach so, freier Wille. Dorothea war außer sich. »Das hast du doch hoffentlich unterbunden«, hatte sie gesagt. »Nö«, hatte Martin entgegnet, »der Kleine kann gar nicht früh genug lernen, sein Revier zu markieren. Könnten Mädchen im Stehen pinkeln und würden es auch tun, dann jubilierte die ganze Feministinnenbande«, sagte Martin in einem seltenen Anfall von Keckheit.
    »Immer wenn es brannte, wusste der Mann, dass er noch lebte.«
    Holtkötter hob wortlos sein Glas, nahm einen tiefen Schluck vom femininsten der Pauillacs und sagte nur trocken: »Ein Hoch auf die Männer.« Martin stand auf und prostete zurück. Dorothea war sprachlos. Martin holte den Südtiroler Kirschbrand aus dem Schrank. Goldkrone wäre trendiger gewesen, aber nicht adäquat für Chefs. »Darauf trinken wir einen.«

    Es stellte sich heraus, dass Holtkötter großes Interesse an den Denkern der Antike hatte, aber davon etwa so viel wusste wie Martin von Pauillac. Holtkötter konnte tatsächlich zuhören. Und sogar kluge Fragen stellen.
    Im Rausch des Kirschbrandes debattierten sie darüber, warum sich ausgerechnet brasilianische Fußballer »Socrates« oder »Cicero« als Künstlernamen aussuchten. »Gab es eigentlich auch einen Plato?«, fragte Martin. »Nee, aber Platini«, witzelte Holtkötter.
    Sie lagen sich brüllend vor Lachen in den Armen. Dorothea räumte wortlos das Geschirr in die Küche. Für einen kurzen Moment erlaubte sich Martin den Gedanken, dass früher auch nicht alles schlecht war.

    Attila gab alles. Die Narkose, der Alkohol, Camilles Netzstrümpfe und sein nackter Wille hatten seinen Körper auf Hochtouren gepeitscht. Camille juchzte manchmal, wenn er sie wie eine Dampframme bediente. Warum zum Teufel musste er dauernd an die Bindinger denken?

    Lars schloss die Augen, alles drehte sich. Er machte das Licht wieder an und rauchte noch eine. Er hatte den Eindruck, die Buchstaben auf der Packung flimmerten. Er musste unbedingt zum Augenarzt, wahrscheinlich brauchte er eine Brille, so eine richtig dicke, mit fetten Glasbausteinen, aber dann würde er sich erschießen. Warum flimmerten die Buchstaben nur so?
    In seinem Alter gab es schon Fälle von Grauem Star, wie waren da noch gleich die Symptome? Er hielt die Packung
in unterschiedlichen Abständen vor die Augen, dann schloss er abwechselnd ein Auge, erst links, dann rechts, aber es wackelte immer doller.
    Er hatte Grauen Star, er war sich ganz sicher. Oder Augenkrebs. So eine ganz bittere Nummer. Er stand auf und machte alle Lampen an. Er stellte die Zigarettenpackung auf den Nachttisch, er kniete sich davor, die Packung direkt auf Augenhöhe. Er rutschte

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