Der Vormacher
Verliebtheit, die ihren Schwanz irgendwo reinstopfen muss. Meine Verliebtheit bleibt an der Oberfläche, weil ich die Tiefe, die wahre Liebe erfordert, gar nicht in mir habe. Aber was rede ich da? Ich lasse mich nicht nur von meinem Schwanz steuern, ich schäme mich auch noch dafür! Emil dagegen, dieser hässliche, schlecht gekleidete Angeber, schämt sich für nichts, hat vor keiner Angst, verspricht den Frauen nichts, aber sie wollen ihn trotzdem. Ich hasse den Kerl.
J anas Arzttermin ist am Montag. Das Wochenende davor verbringt sie bei ihrer Mutter. Ich habe mich mit Arbeit herausgeredet. Am Samstag arbeite ich auch wirklich den ganzen Tag. Abends um zehn bin ich der Letzte, der geht. Zu Hause ist kein Bier mehr im Kühlschrank. Ich finde eine halbe Flasche Wodka, aber der Geschmack ekelt mich an. Ich schaue fern. Ich esse Müsli. Ich masturbiere.
Ich spiele Tetris. Ich gehe sogar spazieren. Aber meine Gedanken, meine Scham, meine Schuldgefühle nagen an mir, sie gönnen mir keine Ruhe. Mitten in der Nacht ertappe ich mich dabei, wie ich mit meinem Handy spiele. Ich will Theodora anrufen. Es ist Wahnsinn, aber ich kann nicht anders. Ich schalte die Anruferkennung aus und wähle ihre Nummer. Das Freizeichen ertönt. Mein Blick fällt auf die Wanduhr. Es ist drei Uhr nachts! Jemand nimmt ab. Bevor sie, oder wer auch immer dran ist, etwas sagen kann, lege ich auf. Bin ich denn völlig bescheuert? Ich hätte doch wenigstens abwarten können, wer sich meldet. War sie dran? Oder ein Mann? Sie hat keinen festen Freund, das weiß ich, so was spricht sich im Büro rum. Aber eine Frau wie Theodora braucht nur mit dem Finger zu schnipsen, wenn sie Lust auf einen Mann hat. Oder auf eine Frau. Wer weiß? Eigentlich könnte ich mir Theodora gut mit einer Frau vorstellen, oder besser … zwei Frauen mit mir, Theodora und Jana … nein … vielleicht Theodora und Linda? … Linda? … ach was … Theodora und ihre Schwester, vielleicht hat sie eine kleine Schwester, eine Gymnasiastin, gerade siebzehn, eine zweite Theodora, nur noch mehr Mädchen, noch nicht so ganz Frau … aber ich glaube nicht, dass Theodora lesbisch ist. Das Schlimmste ist, dass ich jetzt weiß, dass sie an mir interessiert ist. Interessiert war. Ich könnte mir vor Wut in den Arsch beißen! Theodora wollte mich, das war offensichtlich. Ich hätte eine Chance gehabt. Zum vierten Mal in der Nacht befriedige ich mich, zum vierten Mal gehe ich unter die Dusche, zum vierten Mal lege ich mich schwitzend in ein zu warmes Bett und kriege kein Auge zu.
Eine Nacht kann noch so schlimm sein, der Morgen bringt immer Erleichterung. Bei mir jedenfalls ist das so. Ich erwache um zehn, ich bin müde, aber mein Geist gönnt mir endlich ein wenig Ruhe. Ich mache mir einen Kaffee und setze mich im Trainingsanzug auf einen Gartenstuhl auf der Terrasse. Die Sonne scheint, aber sie brennt noch nicht so wie in den Mittagsstunden. Janas Windspiel klimpert in einer leichten Brise vor sich hin. Auf einmal finde ich das Geräusch nicht mehr störend, sondern vertraut und angenehm. Ich kann wieder klar denken. So geht es nicht weiter. Ich renne mit offenen Augen ins Verderben – ich mache, was von mir erwartet wird, aber nicht, was ich wirklich will. Das kann nicht gut gehen, irgendwann rächt sich das. Und so treffe ich, schnell und unspektakulär, folgende Entscheidung: Heute Abend, wenn Jana zurück ist, trenne ich mich von ihr. Das wird nicht leicht für sie, aber ich habe schließlich keine andere Wahl. Was für ein Elternhaus wäre das denn, wo der Vater die Mutter nicht liebt, sondern nur aus Pflichtgefühl bei ihr bleibt? Kinder merken ganz schnell, wenn etwas nicht stimmt. Wenn sie es nicht fühlen, dann leiden sie doch darunter. Und Jana und ich, wir würden auch nicht glücklich sein. Wie lange kann ich noch verbergen, dass ich wieder frei sein möchte? Na ja, frei sein – ich will einfach Theodora ohne Schuldgefühle ficken können.
Nach dem Kaffee will ich joggen gehen, aber inzwischen ist es zu warm geworden, also mache ich einen ausgedehnten Spaziergang. Ich plaudere ein wenig mit dem neuen Nachbarn, der seinen Hund ausführt. Als ich wieder zu Hause bin, ist es ein Uhr. Was soll ich mit dem angebrochenen Sonntag machen? In Zukunft, wenn ich wieder allein bin, wird es viele solche Sonntage geben. Ich muss wieder lernen, für mich zu sein. Also fange ich an, aufzuräumen. Ich werde doch bald umziehen müssen. Jana wird hier nicht bleiben wollen, und
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