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Der Vormacher

Der Vormacher

Titel: Der Vormacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferdinand Decker
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schleiche, bemerke ich erst, als ich im Zimmer stehe. Dabei ist doch gar niemand hier, der mich hören könnte. Theodoras Zimmer ist eher enttäuschend. Erstens hat sie keine große Matratze, sondern ein normales, schmales Einpersonenbett. Zweitens hängen überall Katzenposter an den Wänden. Ich bin sicher kein Tierfeind, aber Katzen kann ich nicht ausstehen, sie sind falsch und unberechenbar, außerdem habe ich eine Allergie. Aber wenn sie wirklich eine Katze hätte, dann hätte ich schon lange niesen müssen. Der Rest der Einrichtung ist in Ordnung, ein bisschen Jana-artig, aber nüchterner, nicht so übertrieben stilvoll.
    Von meinem eigenen Zimmer habe ich nicht viel erwartet. Zum Glück. Johann, Theodoras Mitbewohner, scheint ein großer Tibetfan zu sein. Jedenfalls steht ein Altar mit ausgebrannten Weihrauchstäbchen in der Ecke, darauf ein kleines Foto vom Dalai Lama in einem Goldrahmen, daneben ein unförmiger getöpferter Becher, der sehr traditionell aussieht, und ein komischer langer Löffel aus grauem Metall.
    Ein paar lange Fahnen hängen unter der Decke und an den Wänden, wodurch man von der Decke selbst – eine superschicke Stuckdecke! – kaum noch etwas sieht. Vor dem Fenster hängen lange lila Vorhänge aus schwerem Stoff. Das Bett ist ein Hochbett, zwei Meter über dem Boden und ohne Geländer. Zum Glück ist es ziemlich breit, so besteht keine Gefahr, dass wir runterfallen, solange wir dicht bei der Wand bleiben und es nicht zu heiß hergeht.
    Nähere Untersuchungen ergeben, dass es wirklich keine Katze gibt, jedenfalls kann ich ohne zu niesen durch die ganze Wohnung laufen, und ein Katzenklo steht auch nirgends.
    Theodora kann jeden Moment zurückkommen. Also hole ich die Blumen aus dem Auto, stelle sie in eine Vase und drapiere das Ganze auf dem Küchentisch. Ich stelle den Wein und zwei Gläser auf den Tisch, setze mich hin und warte. Aber das halte ich nicht lange aus, ich bin zu unruhig, immerzu schaue ich auf die Uhr, jetzt bin ich schon vierzig Minuten hier, jetzt schon eine Dreiviertelstunde, jetzt könnte sie doch langsam zurückkommen. Was sag ich ihr dann? »Prächtige Wohnung, Theodora. Danke, dass ich hier unterkommen kann, du kannst dir nicht vorstellen, wie das zu Hause ist, mit Janas Mutter die ganze Zeit …« Nein, das ist zu negativ. Und warum soll ich überhaupt Janas Mutter ins Spiel bringen? Ich sollte ihr eher ein Kompliment machen. »Steht dir gut, der Trainingsanzug …« Was für eine dumme Bemerkung. Vielleicht einfach fragen, wie es beim Joggen war? Aber was soll sie darauf antworten? »Ganz nett, immer ein Bein vors andere«? Ach, ich muss es dem Zufall überlassen. Jedenfalls kann ich hier nicht sitzen bleiben, da vergeht die Zeit viel zu langsam. Ich erkunde das Badezimmer. Sehr ordentlich, ich vermisse sie nicht, die hundert angebrochenen Shampooflaschen, die Jana immer auf dem Badewannenrand stapelt. Es gibt eine nüchterne Duschkabine – immerhin mit einer gekachelten Wand, da kann man auch so einiges machen unter dem heißen Strahl –, und auch da stehen nur zwei Flaschen, die ich neugierig öffne und beschnuppere. Das Shampoo erkenne ich sofort – das ist der Geruch, den Theodoras Haar verströmt, wenn sie morgens an meiner Bürotür vorbeikommt –, frisch, so eine Art Apfel, aber mit einem Unterton, etwas Verführerisches, wenn ich daran denke, bekomme ich Herzklopfen. Eher Schwanzklopfen, um ehrlich zu sein. Vor allem, als ich im Badezimmerschränkchen wühle. Da liegen die Frauensachen, die Schminke, die Tampons, Parfum und unten rechts in der Ecke Kondome, eine große Packung, angebrochen. Wie lange die Packung wohl reichen wird, Theodora?
    Sie bleibt länger weg als erwartet. Nach anderthalb Stunden bekomme ich Hunger. Ich esse ein Stück Brot mit Margarine, Butter hat sie nicht, und einen Joghurt mit Stracciatellageschmack. Was macht sie denn so lange? Trainiert sie für einen Marathon? Es ist schon halb zehn. Es wird sie doch niemand im Park überfallen haben? Ich sehe es vor mir: eine Gruppe von Jugendlichen, finstere Gestalten, breitschultrig, oder vielleicht auch Motorradfahrer, Harley-Davidson-Typen – sie lungern auf der Wiese herum und sehen sie vorbeilaufen, einer macht eine Bemerkung, Theodora ist schlagfertig, sie vergilt Gleiches mit Gleichem; das wird falsch verstanden, sie gehen ihr hinterher, einer rennt sogar, er packt sie, sie lacht, ein wenig ängstlich, sie weiß noch nicht, was ihr blüht, sie wird ins Gebüsch gezerrt, einer

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