Der Vormacher
die Blumen lasse ich stehen. Ich befriedige mich kurz unter der Dusche und lege mich schlafen.
N atürlich ist Theodora nicht verschollen, niemand hat sie vergewaltigt, ermordet oder beraubt, und sie war auch nicht bei einem Freund, sondern bei ihrer Joggfreundin, die dringend ihr Herz ausschütten musste wegen ihres Mannes, der sich mit Gymnasiastinnen herumtreibt. Das alles erzählt Theodora mir beim Frühstück. Sie hat Croissants geholt und serviert Milchkaffee in großen Schalen, die sie »bols« nennt. Sie ist bester Laune, sie entschuldigt sich, dass sie gestern nicht bleiben konnte, sie strahlt mich an, beinahe fliegt sie mir um den Hals, mehrmals berührt sie meinen Arm, halb zufällig, halb gewollt, sie spielt mit mir. Und ich spiele mit. Was gibt es Schöneres als Frühstück mit einer schönen Frau, in ihrer eigenen Küche, durch deren hohe Fenster die Morgensonne fallt? Es ist zwar nichts passiert, aber unser Frühstück sähe schließlich genauso aus, wenn etwas passiert wäre, wenn wir die ganze Nacht von einer fiebrigen Umarmung in die andere getaumelt wären …
»Was macht Jana eigentlich den ganzen Tag?«, fragt Theodora plötzlich.
»Jana liegt im Krankenhaus.«
»Ja, das weiß ich, aber was macht sie da?«
»Nicht so viel«, sage ich zögernd. Warum müssen wir ausgerechnet über Jana reden? »Was soll sie schon machen? Sie schläft. Manchmal liest sie.«
»Und was machst du, wenn du da bist?«
Ob sie eifersüchtig ist?
»Na ja«, sage ich. »Wir reden. Oder ich lese ihr vor.«
Das stimmt zwar nicht, macht aber sicher Eindruck.
»Oh«, sagt Theodora und macht große Augen.
»Der Chef war sehr zufrieden mit meiner Kampagne für die Hambacher«, sage ich, um das Thema zu wechseln. Ich will noch hinzufügen, dass Emil nicht mehr lange Vize bleibt, wenn er nicht aufpasst, doch das verkneife ich mir, das klingt zu angeberisch. Aber Theodora darf ruhig wissen, dass der Chef meine Leistung zu schätzen weiß.
»Das habe ich gehört«, sagt Theodora.
Ich bin überrascht.
»Ja? Von wem?«, frage ich.
»Von Emil«, sagt sie.
»Emil?«
»Emil fand die Kampagne super. Der Chef war erst anderer Meinung, aber der Kunde war auch begeistert. Emil hat zum Chef gesagt, dass du an einem halben Tag mehr schaffst als die meisten in einer halben Woche«, sagt sie. »Ich war dabei.«
Die Verwirrung scheint mir ins Gesicht geschrieben zu sein, denn sie fügt hinzu: »Emil ist kein schlechter Kerl, weißt du. Er hat viel von dir gelernt, und wenn du nicht auf halbtags hättest umschalten müssen, wärst du wahrscheinlich Vize geworden, also ist er dir auch ein wenig dankbar.«
Dankbar? Das glaubt sie doch wohl selbst nicht. Emil ist eine Ratte. Andererseits – dass er beim Chef ein Wort für mich eingelegt hat, bedeutet, dass er auf mich reingefallen ist, dass er denkt, dass ich ihn wirklich nett finde, er hat nicht gemerkt, dass ich nur so tue als ob, dass ich ein Spiel mit ihm spiele. Mir soll’s recht sein. Trotzdem hinterlässt dieses Detail einen leichten Nachgeschmack.
»Äh, noch was«, sagt Theodora.
»Ja?«
»Danke für die Blumen.«
»Bitte, bitte! Gern geschehen.«
»Aber das ist keine Vase, das ist meine Wasserkaraffe«, sagt sie. »Bitte steck da in Zukunft keine Blumen mehr rein.«
Auch diese Bemerkung will mir nicht so recht schmecken. Wer braucht schon eine Wasserkaraffe? Und kann sie nicht einfach dankbar sein für die Blumen? Aber ich sage nichts, ich lächle nur breit und sympathisch, und sie lächelt zurück, und alles ist wieder gut.
E s hat sich wohl doch rumgesprochen im Büro. Jedenfalls habe ich heute das Gefühl, das hinter meinem Rücken getuschelt wird. Sogar der Chef begegnet mir anders, mit mehr Respekt, wie mir scheint, wahrscheinlich würde er selbst gern mal mit Theodora. Am meisten befriedigt mich Emils Reaktion, er scharwenzelt die ganze Zeit um Theodora herum. Er tut wirklich sein Bestes, macht Witze, lächelt sie an, einmal legt er sogar seine Hand auf ihr Bein, wahrscheinlich sieht er seine Felle schon davonschwimmen, aber was soll er machen? Noch ein freies Zimmer gibt es nicht in ihrer Wohnung, außer er mietet sich im Klo ein. Der Gedanke treibt mir ein Schmunzeln ins Gesicht. Natürlich spricht mich niemand direkt darauf an, außer Linda.
»Na, wie wohnt es sich bei Theodora?«, fragt sie. »Prima«, sage ich. »Super Altbau. Mit Stuckdecke.«
»Aha«, sagt sie und mustert mich skeptisch. Es scheint, als wäre
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