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Der Vormacher

Der Vormacher

Titel: Der Vormacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferdinand Decker
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so früh wie möglich. Mein Ziel ist der Blumenladen. Ist es denn Janas Fehler, wenn unsere Beziehung nicht mehr spannend ist? Ich habe ihr seit Jahren keine Blumen mehr gekauft. All die kleinen Geschenke und Überraschungen, die man einander macht, wenn man sich gernhat, habe ich vernachlässigt. Jana probiert es hin und wieder noch mit einem zärtlichen Brief oder einer Aufmerksamkeit, aber ich habe nie darauf reagiert, also lässt sie es inzwischen auch sein. Ein Wunder, dass wir überhaupt noch zusammen sind. Als ich mit einem großen Strauß den Blumenladen verlasse, kommt mir ein anderer Gedanke. Blumen sind prima. Blumen sind überraschend, nach so langer Zeit jedenfalls, und romantisch sind Blumen auch. Aber persönlich sind sie nicht. Wenn ich sie von meiner Liebe überzeugen will, ist ein Strauß Blumen nicht genug.
    Ich lege die Blumen in den Kofferraum. Irgendein Idiot hat einen Schlumpfaufkleber auf die Rückscheibe geklebt. Während ich ihn abkratze, fällt mir ein, was ich Jana schenken könnte. Natürlich! Die Buchhandlung ist gleich um die Ecke. Die kuhäugige Verkäuferin berät mich mit dem biederen Enthusiasmus, den Frauen bei diesem Thema an den Tag legen, und stopft am Ende noch eine Plüschgiraffe zu den Büchern in die Tüte.
    Jana ist nicht zu Hause. Auf dem Tisch liegt ein Zettel, in der Mitte gefaltet. Einen Moment befürchte ich das Schlimmste. Aber es ist nur ein Einkaufszettel. Typisch Jana – erst fertigt sie eine ausführliche Liste an, geordnet nach Supermarktabteilungen, mit Angaben in Gramm und Millilitern. Dann lässt sie die Liste liegen und kauft ganz andere Dinge. Ich muss lächeln. Beim ersten Mal, als das passiert ist – das ist Jahre her –, habe ich mir den Einkaufszettel geschnappt und bin ihr hinterhergefahren. Ich habe den zärtlichen Blick nie vergessen, mit dem sie mich empfing, als ich sie in der Schlange vor der Käsetheke fand und ihr den Zettel hinstreckte. Warum soll ich das nicht noch einmal machen? Ich lege Blumen und Bücher auf den Tisch und will mich gerade auf den Weg machen, da kommt Jana schon zurück. Sie hat ihren Wagen hinter meinem geparkt und lädt die Einkäufe aus. Ich will sie rufen, da taucht auf dem Gehweg ein Mann auf, ein junger Kerl, um die fünfundzwanzig. Er nimmt die Sonnenbrille ab und bietet seine Hilfe an. Sie schüttelt den Kopf, lächelnd. Da fällt eine Schachtel auf den Boden. Er ist schneller, geht in die Knie und reicht sie ihr. Sie bedankt sich, er lacht und streicht sich die Haare aus dem Gesicht. Die beiden sehen aus wie das frisch verliebte Paar aus der Kondomreklame. Die Szene gibt mir einen Stich. Kennen die beiden sich? Und wie lange schon?
    Jetzt lässt Jana sich doch helfen. Sie gibt ihm eine prall gefüllte Plastiktüte und erklärt ihm, wie er sie halten muss, damit sie nicht reißt. Ich kann nicht hören, was sie sagt, aber sie hat mir oft genug dieselben Instruktionen erteilt. Der Kerl nickt, er presst die Tüte mit beiden Armen gegen seine Brust, als wäre es ein Stück Treibholz, das ihn vor dem Ertrinken bewahrt; eine vollkommen übertriebene Gebärde, begleitet von einem schelmischen Blick. Jana schmeißt die Kofferraumklappe zu und geht voraus. Als sie durchs Gartentor kommt, sieht sie mich.
    »Henri!«, ruft sie. »Du bist schon zurück!«
    Ihre Freude wirkt ehrlich.
    »Ich bin heute früher weg«, antworte ich. Sie läuft mit den Tüten auf mich zu und gibt mir einen Kuss. Sie ist außer Atem.
    »Was für ein Wetter«, sagt sie. »Heute Mittag der Regen, und jetzt ist es schon wieder so schwül.«
    »Wer ist das?«, frage ich.
    »Keine Ahnung«, sagt sie. »Er wollte mir helfen.«
    »Guten Tag«, sagt der Kerl. »Ich bin Hugo.«
    »Danke fürs Helfen«, sage ich und nehme ihm die Tüte ab. »Und tschüss.«
    Als wir im Haus sind, höre ich Jana kichern.
    »Was ist denn?«, frage ich irritiert.
    »Danke fürs Helfen«, äfft sie mich nach, »und tschüss.«
    Gegen meinen Willen muss ich mitlachen.
    »Was ist denn das?«, fragt Jana verblüfft. »Blumen?«
    Sie strahlt.
    »Und schau mal in die Tüte«, sage ich.
    »Du warst in der Buchhandlung?«, fragt sie ungläubig. Sie legt die Blumen auf den Tisch und öffnet die Tüte.
    »So was«, sagt sie beim ersten Buch. Vor Verblüffung rutscht ihr das Lächeln aus dem Gesicht. Beim zweiten Buch schluckt sie. Als sie das dritte Buch in Händen hält, Die neue Mamabibel (auch für Papas und solche, die es werden wollen), dreht sie sich zu mir und schaut mir in die

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