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Der Wachsblumenstrauß

Der Wachsblumenstrauß

Titel: Der Wachsblumenstrauß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Dafür war er zu aufgewühlt.
    Schließlich erstarb Miss Gilchrists Erzählstrom.
    »Aber ich nehme an, Mrs Lansquenet hat das alles nicht ernst genommen, oder?«, fragte der Notar.
    »Überhaupt nicht, Mr Entwhistle, sie hat ihn gut verstanden.«
    Auch diese Bemerkung gab Mr Entwhistle zu denken, wenn auch nicht ganz in dem Sinn, wie Miss Gilchrist sie gemeint hatte.
    Hatte Cora Lansquenet ihn wirklich verstanden? Vielleicht damals nicht, aber später. Hatte sie ihn nur allzu gut verstanden?
    Mr Entwhistle wusste, dass Richard Abernethie keineswegs senil gewesen war, sondern ganz im Gegenteil im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte. Und er war kein Mensch, der unter Verfolgungswahn litt. Er war, was er immer gewesen war – ein nüchterner Geschäftsmann –, und daran hatte auch seine Krankheit nichts geändert.
    Seltsam, dass er seiner Schwester so etwas gesagt haben sollte. Aber vielleicht hatte Cora mit ihrem kindlichen Vorwitz zwischen den Zeilen gelesen und sich einen eigenen Reim gemacht auf das, was ihr Bruder tatsächlich gesagt hatte.
    Im Großen und Ganzen, dachte Mr Entwhistle, war Cora sehr dumm und einfältig gewesen. Sie war labil gewesen, ohne jedes Urteilsvermögen, und hatte vieles vom simplen Standpunkt eines Kindes aus betrachtet, aber wie ein Kind hatte sie auch die frappante Fähigkeit besessen, manchmal den Nagel auf den Kopf zu treffen.
    Dabei ließ Mr Entwhistle es bewenden. Er war überzeugt, dass Miss Gilchrist ihm alles erzählt hatte, was sie wusste. Auf seine Frage, ob Cora Lansquenet womöglich ein Testament hinterlassen habe, erklärte Miss Gilchrist ohne Umschweife, das Testament liege bei der Bank.
    Nachdem Mr Entwhistle noch einige Vorkehrungen getroffen hatte, wollte er sich von Miss Gilchrist verabschieden. Er bestand darauf, ihr etwas Bargeld zu geben, um ihre laufenden Unkosten zu decken, und sagte ihr, er werde sich bald wieder bei ihr melden. Er würde sich freuen, wenn sie im Cottage wohnen bleiben würde, während sie sich nach einer neuen Stellung umsah. Das wäre ihr eine große Hilfe, meinte Miss Gilchrist, und sie habe auch überhaupt keine Angst.
    Doch er entkam Miss Gilchrist nicht, ohne mit ihr noch einen Rundgang durch das kleine Haus zu machen und eine Anzahl von Bildern des verstorbenen Pierre Lansquenet zu betrachten, die alle im kleinen Esszimmer hingen. Ihn schauderte, als er sie sah – es waren vorwiegend Akte, gemalt von einem ebenso untalentierten wie detailversessenen Künstler. Außerdem musste der Notar mehrere kleine Ölbilder von hübschen Fischerdörfern bewundern, die Cora selbst angefertigt hatte.
    »Polperro«, sagte Miss Gilchrist stolz. »Da waren wir im letzten Jahr. Mrs Lansquenet war entzückt, weil das Dorf so malerisch ist.«
    Mr Entwhistle betrachtete Ansichten von Polperro aus dem Südwesten, dem Nordwesten und vermutlich aus allen anderen Himmelsrichtungen. Mrs Lansquenet sei zweifellos hingerissen gewesen, pflichtete er bei.
    »Mrs Lansquenet hatte versprochen, mir ihre Bilder zu vermachen«, meinte Miss Gilchrist wehmütig. »Ich habe sie so bewundert. Auf diesem hier zum Beispiel kann man doch richtig sehen, wie die Wellen sich brechen, finden Sie nicht? Selbst wenn sie es vergessen hat – glauben Sie, ich könnte wenigstens eines zur Erinnerung behalten?«
    »Das lässt sich bestimmt arrangieren«, antwortete Mr Entwhistle wohlwollend.
    Dann konnte er sich verabschieden und ging zu einem Gespräch mit dem Bankmanager, auf das eine Unterredung mit Inspector Morton folgte.

Fünftes Kapitel

I
     
    » D u hast dich völlig verausgabt«, sagte Miss Entwhistle in em entrüsteten und herrischen Ton, den liebevolle Schwestern ihren Brüdern angedeihen lassen, deren Haushalt sie führen. »In deinem Alter solltest du solche Sachen nicht mehr machen. Was geht dich das alles überhaupt an, möchte ich wissen? Du bist doch pensioniert, oder nicht?«
    Mr Entwhistle erklärte versöhnlich, Richard Abernethie sei einer seiner ältesten Freunde gewesen.
    »Das mag schon sein, aber Richard Abernethie ist tot. Also verstehe ich nicht, warum du dich noch in Sachen einmischen musst, die dich nichts angehen. Den Tod wirst du dir noch holen auf den grässlichen zugigen Bahnhöfen. Noch dazu ein Mord! Ich weiß überhaupt nicht, wieso sie ausgerechnet dich angerufen haben.«
    »Sie haben sich an mich gewendet, weil sie in Coras Haus einen Brief mit meiner Unterschrift gefunden haben, in dem die Einzelheiten über die Beerdigung stehen.«
    »Beerdigung!

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