Der Waisenstern.
unmittelbaren Umgebung der Mine hatten vielleicht ein halbes Hundert der trägen Eingeborenen gelebt. Ihre Nachforschungen hatten ergeben, daß es noch ein paar hundert gab, die Höhlen in weiterer Entfernung bewohnten.
Und jetzt waren da Tausende von ihnen, Tausende in allen Größen, die die Anlage überrannten - und ihre Gedanken überrannten.
Von unten hallte das Krachen umstürzenden Mobiliars und zersplitternden Glasalums zu ihr herauf. Es gab keinen Ausweg. Nur nach oben konnte sie fliehen.
Sie hinkte zur nächsten Treppe und eilte auf ihr Appartement im obersten Stockwerk zu. Als der Kanonenturm ausgeschaltet wurde, war die Schlacht praktisch vorüber. Das bestätigte ihr Meevo, als er meldete, daß die Energiezentrale eingenommen worden war. Das waren die letzten Worte des Ingenieurs, die sie hörte.
Mit der Energiezentrale war jegliche Möglichkeit, die Aufzüge zu betreiben oder mit der Außenwelt in Verbindung zu treten, dahin. Es war für sie nicht leicht, mit ihrem kranken Bein die Treppe emporzuklettern. Ihr Overall war zerrissen, das sorgfältig aufgetragene Make-up, das ihre Gesichtsnarben bedecken sollte, verschmiert. Sie würde dem Tod in ihren eigenen Räumen entgegentreten, bis zum bitteren Ende ruhig und mit dem Selbstbewußtsein einer Rudenuaman.
Oben an der Treppe angekommen, verlangsamte sie ihre Schritte. Ihre Gemächer lagen am fernen Ende des Korridors, aber aus dem Raum neben der Treppe fiel Licht. Vorsichtig schob sie die zerbrochene Tür etwas auf und spähte hinein.
Das Licht war nur schwach, es schien von einer kleinen Lampe zu stammen. Es gab viele solcher Lampen im Stützpunkt - aber was machte sich hier oben jemand mit einer Lampe zu schaffen, wo er doch eigentlich einen Strahler in der Hand halten sollte?
Ihre eigene Waffe fest umklammernd, trat sie auf Zehenspitzen ein.
Diese Räume waren nicht mehr bewohnt worden, seit ihr letzter Insasse gestorben war. Das Licht kam aus einer Ecke. Es stammte von einem tragbaren Lesegerät. Eine kleine schmächtige Gestalt kauerte davor und merkte nichts von seiner Umgebung.
Sie wartete, und wenig später lehnte sich die Gestalt seufzend zurück und schaltete das Gerät ab. Wut und Enttäuschung wechselten sich in ihren Empfindungen ab, bis sie von einem Gefühl kalter Resignation abgelöst wurden.
»Das hätte ich mir denken müssen«, murmelte sie.
Die Gestalt zuckte überrascht zusammen und fuhr herum.
»Warum sind Sie nicht tot, wie sich das gehört?«
Flinx zögerte und antwortete dann, ohne auch nur die Andeutung eines Lächelns: »Es war nicht dazu bestimmt, Teil des Spieles zu sein.«
»Sie machen sich über mich lustig... selbst jetzt noch. Ich hätte Sie im gleichen Augenblick töten sollen, als ich Challis erledigte. Aber nein«, sagte sie verbittert, »ich mußte Sie zu meinem Vergnügen schonen.«
»Sind Sie sicher, daß das der einzige Grund war?« fragte er, und das mit so sanfter Stimme, daß sie einen Augenblick lang verblüfft war.
»Sie spielen Wortspiele mit mir.« Sie hob den Strahler. »Ich bedaure nur, daß ich nicht die Zeit habe, Sie langsam zu töten. Nicht einmal das haben Sie mir gelassen.« Sie zuckte müde die Achseln. »Das ist der Preis, den man für seine Fehler bezahlt, wie meine Tante sagen würde, möge sie ewig in der Hölle braten. Aber ich bin neugierig - wie haben Sie es fertiggebracht, diese Geschöpfe zu zähmen und auszubilden?«
Flinx sah sie bedauernd an. »Sie verstehen noch nicht, wie?«
»Nur«, antwortete sie und ihr Finger krümmte sich um den Abzug des Strahlers, »daß dies einige Monate zu spät kommt.«
»Halt!« rief er bittend. »Nur eine Min...«
Ihr Finger verkrampfte sich. Im selben Augenblick überschüttete jemand ihre Augen mit flüssigem Feuer. Sie schrie, und der Strahl zischte rechts an Flinx vorbei und zerstörte das Lesegerät.
»Nicht reiben!« wollte er rufen und sprang aus dem Stuhl, in dem er gesessen hatte - aber es war schon zu spät. In dem Augenblick der Berührung hatte sie den Strahler fallen gelassen und instinktiv in ihrem Gesicht zu reiben begonnen. Jetzt lag sie auf dem Boden und wälzte sich herum.
Der Abstand zwischen ihnen war nicht besonders groß, aber als er neben ihr stand, war sie vor Schmerzen bereits bewußtlos. Dreißig Sekunden später war sie tot.
»Du hast dir nie die Zeit genommen, zuzuhören, Teleen«, murmelte er und beugte sich über die zusammengekrümmte Leiche. Pip ringelte sich weich um Flinx' Schulter und ließ seine
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