Der Wald - ein Nachruf
natürlich vorkommenden Baumarten zu arbeiten, überließen der Natur die Aussaat und die Pflege des Waldes und würden nur hier und da einzelne Stämme ernten. Die ursprünglichen Prozesse, das Sozialleben der Bäume könnte weitgehend ungestört ablaufen und alle wären zufrieden. Solche Wälder würden mindestens so viel Holz wie die Plantagen erzeugen und wären, verknüpft mit dem einen oder anderen Schutzgebiet, in meinen Augen für das dicht besiedelte Mitteleuropa die Ideallösung. Einen Haken gibt es dabei leider, denn dazu müsste man sich eingestehen, bisher etwas verkehrt gemacht zu haben. Und diese Einsicht fehlt bis heute. Daher wird der Klimawandel genauso bewertet wie das Waldsterben: Immer sind die anderen schuld. Die bisherige Be wirtschaftung wird beibehalten oder gar noch zur Gewinnung von Biomasse verschärft, und dennoch muss schleunigst eine Lösung her. Denn in den tieferen Lagen der großen Flusstäler sterben schon heute quadratkilometerweise Fichtenwälder ab. Aber deswegen auf fremde Baumarten, gar auf Nadelhölzer, verzichten? Kommt gar nicht infrage, und deshalb suchen Verwaltungen und forstliche Forschungseinrichtungen nach Alternativen. Denn wenn der Brotbaum, der Gewinnbringer, ausfällt, muss gleichwertiger Ersatz geschaffen werden. Mit der Weißtanne und ihren positiven ökologischen Eigenschaften, also der laubbaumähnlichen Streu und ihrer Eignung als Lebensraum für heimische Insekten und Pilze, wäre dies zumindest in Mischung mit Laubbäumen denkbar, aber ihre magische Anziehungskraft für Rehe und Hirsche verhindert vielfach ihren Anbau. Wie wäre es mit der Waldkiefer? Sie gilt als Trockenkünstler und müsste doch mit der Erwärmung zurechtkommen. Schließlich wird sie schon seit etlichen Generationen im regenarmen Brandenburg mit seinen heißen Sommern angebaut. Viele Jahre zum Anbau empfohlen, wird es stiller um diese Baumart. In meinem Revier lasse ich in letzter Zeit Kiefern nach und nach überall dort fällen, wo irgendeine Laubholzart in der Nähe steht. Denn seit 2003 gab es mehrere sehr trockene Vegetationsperioden und zu meiner eigenen Überraschung stirbt die gelobte Alternativart massenweise ab. Sie ist wohl doch nicht so gut für Trockenstandorte geeignet … Glücklicherweise stehen meist jüngere Eichen unter den Todeskandidaten und der Wald erneuert sich so noch rascher in Richtung natürlicher Waldgesellschaft. Für die Umwelt ist so ein Wechsel also kein Beinbruch.
Der zweite Ersatzbaum ist die Douglasie, die aus Nordamerika, genauer gesagt von der Nordwestküste Amerikas stammt. Dort bildet sie ganze Urwälder, und dort hätte man sie besser auch gelassen. Neugierige Förster pflanzten sie jedoch schon vor 100 Jahren in die Alte Welt, wo sie zu beeindruckenden Riesen heranwuchsen. Ihre Eigenschaften sind bestechend. Sie wächst viel schneller als die Fichte und verträgt dabei mehr Trockenheit und Wärme. Ihr Holz eignet sich gut für Gartenmöbel oder Terrassendielen, da es auch ohne Schutzanstrich kaum fault. Mittlerweile bezahlen Sägewerke für Douglasien aufgrund dieser Eigenschaften höhere Preise als für andere Nadelhölzer. Wird bei der Holzernte ein Stamm beschädigt, so führt die Wunde nicht zu einer Stammfäule. Douglasien sind demnach unübertroffen und vor allem offensichtlich bestens für unser zukünftiges Klima gerüstet. Die staatlichen Forstverwaltungen werden daher nicht müde, allen Waldbesitzern den Anbau dieser Bäume wärmstens ans Herz zu legen. Und viele Privatwaldbesitzer folgen nur zu bereitwillig dem Rat der Experten.
Doch Douglasien können noch mehr. Sie trotzen den Borkenkäfern, die gerade landstrichweise die Fichten dahinraffen. Dass darunter ökologische Wüsten entstehen, dass Hornmilben, Spring schwänze, Pilze und heimische Pflanzen wenig mit der fremdartigen Biomasse mit ihren nach Orangen duftenden ätherischen Ölen anfangen können, wen interessiert das?
Förster rühmen sich, langfristig zu denken, aber bei den Dou glasien scheint dieses Gedächtnis Lücken zu haben. Denn die Ame rikaner sind ja erst ein Jahrhundert bei uns, also gerade einmal ein Viertel eines normalen Baumlebens. Welche Auswirkun gen sie auf das mitteleuropäische Ökosystem haben, kann noch niemand beurteilen. Auch für die Zugereisten selber kann das noch nicht einmal ansatzweise abgeschätzt werden. Jede Art hat ganz spezifische Schadorganismen, die sie befallen. Diese sind im Fall der Douglasie bisher überwiegend jenseits des Atlantiks
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