Der Waldläufer
ritt voran, indem die hin und her prallende Herde folgte oder vorauslief und sich bald in einer Wolke von Staub verlor.
Bis zur Poza, wo man haltmachen sollte, waren nur wenige Stunden Weges, und da nichts drängte, noch vor der Nacht dort anzukommen, so mußten zwei frische Pferde für Don Estévan und den Senator ausreichen. Letzterer ließ auch nicht auf sich warten; er erschien unter der Tür der Hütte, wo er gewissenhaft eine Mittagsruhe gehalten hatte, zu der diese glühenden Klimate mit gebieterischer Notwendigkeit zwingen. Don Estévan kam zu derselben Zeit aus der seinigen. Obgleich die Luft immer noch zum Ersticken war, so konnte man sie doch schon leichter atmen als am Morgen.
»Caramba«, rief der Senator, »das ist Feuer, was man atmet, aber keine Luft; und wenn diese Hütten nicht ein Nest für Skorpione und Schlangen wären, so würde ich hier gern bis in die Nacht bleiben – viel lieber, als mich abermals in diesen Glutofen zu werfen!« Nach diesen klagenden Worten stieg der Senator mühsam aufs Pferd und ritt mit Don Estévan voraus. In einiger Entfernung von ihnen folgten Cuchillo und Baraja, und endlich schlossen die Diener und die Maultiere den Zug.
Indessen ließ die Frische des Waldes, den der Zug durchschnitt, die erste Stunde des Marsches erträglich finden; aber bald gelangten sie beim Ausgang des Waldes mitten auf weite Ebenen hinaus, die unbegrenzt schienen.
Es gibt nichts Traurigeres als diese nackten, weißen Landstriche, auf denen alles Wachstum aus Mangel an Saft dahinstirbt. Von Strecke zu Strecke erhoben sich lange Stangen, um eine Zisterne zu bezeichnen; aber die Ledereimer, die an ihnen hingen, waren zusammengeschrumpft und von der Sonne zerrissen und sagten zugleich, daß die Zisternen ausgetrocknet seien. Schrecklich geht es dem, den sein Unstern in diesen öden Ebenen irreführt. Wenn sein Schlauch nicht gut gefüllt ist; wenn er ungewiß ist über den Weg, den er einschlagen muß, so wird seine Geschichte bald die Legende von den Reisenden vergrößern, die in diesen Einöden zwischen einem Himmel und einer Erde, die gleich unerbittlich sind, vor Durst umgekommen sind.
»Es ist also wahr, was man behauptet«, sagte der Senator zu Don Estévan, indem er sich den Schweiß abtrocknete, der von seinem Gesicht strömte, »daß Ihr schon einmal in diesem Land wart?«
»Wahrhaftig«, antwortete lächelnd Arechiza; »eben weil ich schon hier gewesen bin, habe ich das Verlangen gefühlt, noch einmal zu kommen. Aber welcher Umstand mich zurückgeführt hat, was der Zweck meiner Rückkehr ist, das ist das Geheimnis, das ich Euch später enthüllen werde; aber dieses Geheimnis ist eines von denen, die schwindlig machen, wenn derjenige, der es hört, nicht ein kühner Mann mit starkem Herzen ist. Würdet Ihr ein solcher sein, Herr Senator?« fügte der Spanier hinzu, indem er auf die Augen seines Reisegefährten einen ruhigen Blick heftete, dem aber die Kraft und die Kühnheit, die er von anderen zu fordern schien, eingeprägt waren.
Der Senator konnte einen leichten Schauder nicht unterdrücken. Die beiden Reiter ritten einige Minuten schweigend nebeneinander.
Die Verwirrung des Senators war dem Spanier nicht entgangen, der also wieder begann: »Unterdessen – bis ich Euch alles sagen kann, seid Ihr denn entschlossen, meinen Ratschlägen zu folgen und Euer Vermögen durch irgendeine reiche Heirat, die ich für Euch zustande bringen werde – wie ich versprochen habe –, wiederherzustellen?«
»Ohne Zweifel«, sagte der Mexikaner; »obgleich ich noch nicht das Interesse begreife, das Ihr dafür haben könnt.«
»Das geht nur mich an und ist noch mein Geheimnis. Ich bin keiner von denen, die die Haut des Bären verkaufen, wenn er noch lebt. Sobald ich Euch werde sagen können: ›Don Vicente Tragaduros y Despilfarro, ich habe hunderttausend Piaster Mitgift auf ein Wort von Euch zu Eurer Verfügung!‹, dann erst werde ich Euch meine Bedingungen diktieren, und Ihr werdet sie unterschreiben.«
»Ich sage nicht nein«, rief der Senator, »aber ich gestehe, daß ich vergebens in meinem Gedächtnis eine solche Erbin suche, wie Ihr sie zu finden hofft.«
»Kennt Ihr die Tochter des reichen Eigentümers der Hacienda del Venado, Don Agustin Peña, bei dem wir morgen abend übernachten werden?«
»Oh«, rief der Senator, »die muß wenigstens eine Mitgift von einer Million haben, wie man sagt; aber es wäre Torheit, darauf zu rechnen ...«
»Nun, nun«, erwiderte Don Estévan, »es
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