Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
Vom Netzwerk:
letzteren Ort aus aufbricht, so werdet Ihr an Eurem Marschplan nichts zu ändern haben.«
    »Gut. Und Ihr habt das Val d'Or mit eigenen Augen gesehen, sagt Ihr?«
    »Ich habe es gesehen, ohne es anrühren zu können; ich habe es gesehen und mit den Zähnen geknirscht wie der Verdammte, der mitten durch die Flammen der Hölle eine Landschaft des Paradieses erblickt«, sagte Cuchillo, dessen ganze Haltung unzweifelhaft den Schmerz der getäuschten Habgier verriet.
    Arechiza konnte zu gut auf dem menschlichen Antlitz die geheimen Gefühle des Herzens lesen, um länger an der Wahrhaftigkeit Cuchillos zu zweifeln; dann waren auch fünfhundert Piaster für ihn nur eine unbedeutende Summe. Und ist nicht überdies der Ehrgeizige gezwungen, etwas dem Zufall zu opfern? Er erhob sich, nahm aus einer elfenbeinernen Schatulle von geringem Umfang, die aber sehr schwer und am Kopfende seines Lagers niedergesetzt war, einen Beutel aus Damhirschfell, der sich darin befand, und holte eine Handvoll Quadrupel heraus. Er zählte zweiunddreißig davon Cuchillo hin, der sie selbst sorgsam wiederzählte, ehe er sie in seine Tasche steckte.
    Der Bandit hatte etwas mehr empfangen, als ihm zukam, aber er beklagte sich deshalb nicht, kreuzte nach spanischer Sitte den Daumen mit dem Zeigefinger der rechten Hand und sagte: »Ich schwöre aufs Kreuz, daß ich die Wahrheit sagen will – nichts als die Wahrheit. Nach zehn Tagesmärschen jenseits Tubac, nordwestlich, werden wir an den Fuß einer Bergkette gelangen. Sie ist leicht wiederzuerkennen, denn ein dicker Nebel umhüllt sie Tag und Nacht. Ein kleiner Bach fließt längs dieser aufeinanderfolgenden Hügel; man muß ihn aufwärts verfolgen bis zum Zusammenfluß mit einem anderen Bach. An dem Punkt, wo die beiden Flüsse sich vereinigen und eine Landzunge bilden, erhebt sich ein abschüssiger Hügel, auf dessen Gipfel sich das Grabmal eines Apachenhäuptlings erhebt. Wenn ich nicht mehr dabeisein sollte, so werdet Ihr ihn leicht an den sonderbaren Verzierungen erkennen, wodurch er sich von allen anderen unterscheidet. Am Fuß des Hügels breitet sich ein See aus, zur Seite ein enges Tal. Das ist das Val d'Or; da ist es, wo das Regenwasser unermeßliche Schätze hingespült hat.«
    »Die Marschroute ist leicht zu begreifen«, sagte Arechiza.
    »Aber schwer zu verfolgen«, antwortete Cuchillo. »Dürre Steppen, durch die wir reiten müssen, sind nicht das kleinste Hindernis; Indianerhorden durchstreifen zu jeder Zeit diese Steppen. Das Grab eines ihrer Häuptlinge, das sie mit abergläubischer Verehrung bewachen, ist das ständige Ziel ihrer Streifzüge, und eben auf einer solchen Wallfahrt haben sie Arellanos und mich überrascht.«
    »Und hat dieser Arellanos«, nahm der Spanier das Wort, »sein Geheimnis niemand sonst als Euch allein entdeckt?«
    »Ihr wißt«, antwortete Cuchillo, »daß die Gambusinos, ehe sie eine Expedition unternehmen, sich durch einen Eid auf das Evangelium verbindlich machen, die Bonanzas, die sie etwa finden würden, nur mit Zustimmung ihres Gefährten zu entdecken. Arellanos hatte diesen Eid geleistet, und der Tod hat ihn verhindert, ihn zu brechen.«
    »Habt Ihr mir nicht gesagt, daß er nach seiner ersten Expedition nach Hause zurückgekehrt ist und daß Ihr in Tubac zufällig Bekanntschaft gemacht habt? Hatte er keine Frau, der er seine wunderbare Entdeckung hätte anvertrauen können? Das Gegenteil wäre nicht sehr wahrscheinlich!«
    »Gestern kam ein Vaquero hier durch, der mir gesagt hat, daß die Frau Arellanos' eben gestorben sei; und wäre sie auch im Besitz dieses Geheimnisses, hätte sie es selbst ihrem Sohn offenbart ...«
    »Arellanos hat einen Sohn hinterlassen?«
    »Einen Adoptivsohn«, erwiderte Cuchillo, »denn der junge Mann kennt weder seinen Vater noch seine Mutter.«
    Don Estévan machte, ohne es zu wollen, eine sogleich unterdrückte Gebärde der Überraschung. »Der junge Mann wird ohne Zweifel der Sohn irgendeines armen Teufels in dieser Provinz sein«, sagte er nachlässig.
    »Keineswegs; er ist in Europa geboren und wahrscheinlich in Spanien«, murmelte Cuchillo; er schien in eine flüchtige Träumerei zu verfallen. Sein Haupt neigte sich auf seine Brust wie das eines Mannes, der in seinem Geist zerstreute Data miteinander in Verbindung zu bringen sucht. »So hat wenigstens«, fuhr der dann fort, »der Kommandant einer englischen Kriegsbrigg, die im Jahre 1811 nach Guaymas kam, gesagt. Dieses Kind, das französisch und spanisch zugleich

Weitere Kostenlose Bücher