Der Waldläufer
Spanier machte keine Einwürfe mehr – er war überzeugt; ohne Zweifel nicht vom Gewissen, sondern vom Scharfblick des Banditen.
Was Tiburcio Arellanos selbst betrifft, so halten wir es für überflüssig zu sagen, was der Leser schon begriffen hat: nämlich, daß dieser junge Mann kein anderer war als Fabian, der letzte Sprößling der Grafen von Mediana. Cuchillo hat eben erklärt, wie die englische Brigg, die den französischen Kutter genommen hatte, ihn nach der Gefangennahme des kanadischen Matrosen in ein fremdes Land brachte. Dort besaß er von nun an – ohne Führer, um seine Familie wiederzufinden, der Güter seines Hauses beraubt, verwaist zurückgelassen von denen, die seine Kindheit und seine Jugend beschützt hatten – nichts weiter, als was der Ärmste in diesem Land besitzt: ein Pferd und eine Bambushütte.
6 Der letzte Mediana
Als Cuchillo nach dem Schluß der Unterredung, von der wir eben berichtet haben, die Hütte verließ, wo sie stattgefunden hatte, stand die Sonne schon nicht mehr senkrecht am Himmel und fing an, sich gegen den Horizont zu neigen. Die von der Hitze des Tages ausgedörrte Erde sandte aus ihrem Schoß die glühenden Ausdünstungen zurück. Diese durch den Wind, der schon viel frischer wehte, verdichteten Dünste gaben durch die Luftspiegelung den trockenen Ebenen, die den Wald begrenzten, das Aussehen eines klaren Sees, als ob die Natur, die nur die vollkommenste Harmonie liebt, dem Auge eine Entschädigung der traurigen Nacktheit dieser Landschaft hätte bieten wollen.
Dumpfes Krachen ließ sich noch im Wald hören, ähnlich dem Krachen des Holzes, das sich bei der Berührung des Feuers krümmt und windet. Aber die Bäume richteten nach und nach ihr Laubdach unter dem Südwind wieder auf und schienen ungeduldig die Stunde zu erwarten, wo die Nebeldecke, die sie während der Nacht umhüllt hatte, ihre Wipfel wieder erfrischen würde.
Cuchillo pfiff, und auf diesen wohlbekannten Ton lief ein Pferd im Galopp herbei. Das Auge des armen Tieres war erloschen vor Durst. Sein Herr goß mitleidig ein wenig Wasser aus seinem Schlauch in eine Schale, und obgleich dies für das Tier nur ein Tropfen war, so belebte sich sein trübes Auge doch. Cuchillo zäumte, sattelte sein Pferd und schnallte die Sporen an seine Füße. Darauf rief er einen der Diener Don Estévans und gab ihm den Befehl, die Maultiere und die Pferde anzuschirren und vorauszureiten, um das Nachtlager instand zu setzen, das einige Stunden weiter an einem Ort, den man la Poza die Zisterne nennt, aufgeschlagen werden sollte, wo die Reisenden die Nacht zubringen mußten.
Der Diener warf ein, daß dies nicht der geradeste Weg nach Tubac sei, wohl aber der nach der Hacienda del Venado. Hazienda des Hirsches Doch auf die entschiedene Antwort Cuchillos, daß es die Absicht seines Herrn sei, einige Tage auf der Hacienda zu verweilen, begann der Diener pflichtgemäß die Befehle auszuführen, die ihm übermittelt worden waren.
Der Eigentümer dieses weitläufigen Landguts – des einzigen von dieser Größe und Bedeutung zwischen Arizpe und der Grenze – war in der ganzen Gegend, die zwischen diesen beiden Punkten liegt, berühmt durch seine Freigebigkeit zu seinen Gästen. Ohne Murren also hörten die Leute aus dem Gefolge der beiden Reisenden, daß sie durch Verlängerung ihres Marsches wenigstens einige Tage Ruhe in dieser gastlichen Wohnung finden würden.
Der Diener, der mit den von Cuchillo überbrachten Befehlen beauftragt war, sattelte sein Pferd und nahm im Galopp die Richtung nach dem Saum des nahen Waldes, an dessen Eingang er die Caponera oder Capitanastute zugführende Stute angebunden hatte. Um sie herum hatten sich die frischen Pferde gesammelt und diejenigen, die schon auf der Reise bis zu dem verlassenen Dorf Huerfano geritten worden waren.
Beim Anblick des Reiters, der mit dem Lasso in der Hand herankam, verbreitete sich Schrecken unter dieser Truppe noch halbwilder Tiere. In dem Augenblick, als der Diener seine Schlinge um den Kopf schwirren ließ, sprang der wilde Haufe zurückprallend auf; aber es war schon zu spät, und die gleitende Schleife fiel zweien von ihnen über den Hals. Diese Tiere hatten schon zu oft die Gewalt des Lassos kennengelernt, um Widerstand zu leisten, und folgten mit gesenktem Haupt gelehrig dem Diener, während die übrigen Pferde zurückkehrten und sich um die Glocke der Capitana sammelten.
Als die Pferde gesattelt und gezäumt waren, entfesselte der Diener die Stute und
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