Der Waldläufer
Vasallen.
Nur auf die wiederholten Bitten – wir müßten fast sagen, auf den dringenden Wunsch – des Spaniers willigte Don Agustin ein, sich zu setzen, während der erstere sich in einen mit Leder ausgeschlagenen Lehnsessel mit einer Nachlässigkeit geworfen hatte, die mit der vornehmen Haltung seiner Persönlichkeit ganz übereinstimmte.
Der Hacendero wartete schweigend, bis Don Estévan das Wort nehmen würde.
»Nun, wie gefällt Euch Euer zukünftiger Schwiegersohn?« fragte der Spanier. »Ihr habt ihn, denke ich, noch niemals gesehen?«
»Niemals!« antwortete Don Agustin. »Aber wäre er auch von der Natur weniger begünstigt, als er es ist, so wißt Ihr, daß dies unter uns kein Hindernis für unsere Pläne gewesen wäre.«
»Ich weiß es; denn man muß es anerkennen, es liegt in jedem rohen Klotz der Stoff zu einem Edelmann; um wieviel mehr erst in der Person eines Senators des ruhmvollen Kongresses von Arizpe!« fügte der Spanier mit einem leichten Anflug von Verachtung hinzu. »Aber das Hindernis liegt nicht darin; entscheidend ist, daß Eure Tochter ihren Bewerber nach ihrem Geschmack findet.«
»Meine Tochter wird nur nach meinem Willen handeln«, sagte der Hacendero.
»Selbst in dem Fall, daß ihr Herz nicht mehr frei sein sollte?«
»Das Herz Rosaritas ist frei, Don Estévan!« erwiderte Don Agustin. »Wie sollte es auch anders sein? Ihre Kindheit und ihre Jugend sind in unseren Einöden verflossen.«
»Und dieser junge zerlumpte Mann, dieser Tiburcio Arellanos, den Ihr schon zu kennen scheint?« fragte Don Estévan. »Er liebt Eure Tochter!«
»Ich weiß es seit heute morgen.«
»Wenn Ihr erst seit einigen Stunden das Geheimnis seiner Liebe wißt, könnte Euch das Geheimnis Doña Rosaritas nicht entgangen sein?«
»Freilich«, antwortete Don Agustin lächelnd, »verstehe ich mich besser darauf, der Spur eines Indianers zu folgen und auf seinem schlauen Gesicht seine geheimsten Gedanken zu lesen, als den Grund des Herzens eines jungen Mädchens zu erforschen; aber ich wiederhole: Ich habe Grund, zu glauben, daß das Herz Rosaritas frei ist von jeder früheren Liebe. Es obwaltet aber ein ernstlicheres Hindernis, Don Estévan – ich meine nicht gegen die zwischen uns verabredete Verbindung, sondern gegen die Expedition, die Ihr tief in die Steppen hinein unternehmen wollt.«
Der Hacendero teilte nun Don Estévan die Einzelheiten mit, die ihm von dem Franziskanermönch in betreff des Tiburcio hinterlassenen Geheimnisses von einer unermeßlichen Goldmine anvertraut waren.
Wir schweigen jedoch vorerst über den Eindruck, den diese vertrauliche Mitteilung auf den Spanier machte. Die Unterhaltung zwischen dem Hacendero und ihm dauerte noch lange. Was hatten sie sich zu sagen? Wir werden es später erfahren. Unterdessen ist es nötig, den Senator wieder aufzusuchen, der voll Angst die Minuten zählte bis zur Rückkehr Don Estévans in das für ihn bereitete Gemach.
Das Don Estévan de Arechiza angewiesene Zimmer war ohne Widerspruch das reichste der Hacienda, und doch hat der Luxus im Hausgerät noch so geringe Fortschritte in der Provinz Sonora gemacht, daß dieser Reichtum an Nacktheit grenzte. Kein Vorhang verhüllte die Eisenstäbe, die das im ersten Stockwerk gelegene Fenster schützten. Die Mauern waren einfach mit Kalk geweißt, einige Sessel, wie Pfühle mit Schilf geflochten, Koffer aus dem Holz des Kampferbaumes, die als Schränke dienten – das war das Gerät, das das Zimmer schmückte. Das einzige Stück von einiger Auszeichnung darin war eine mit Ölfarbe angestrichene Bettstelle, lackiert und mit goldenen Arabesken geschmückt. Über die breite Steppdecke von Indianerzeug, die das Oberbett vertrat, breiteten sich lange Besätze von Musselin und Spitzen in wallenden Falten. Das Kopfende des Bettes war mit drei flachen, viereckigen Kopfkissen versehen, die an beiden Enden und durch den luftigen Batist ihres Überzugs die purpurrote Seide hindurchschimmern ließen, mit der sie darunter wieder überzogen waren. Sie waren mit ähnlichen Behängen von Spitzen und Musselin verschwenderisch ausgeschmückt.
Hier finden wir den Spanier und Tragaduros wieder. Auf dem schilfgeflochtenen Sofa sitzend, folgte Don Estévan mit den Augen dem Senator, der in lebhaftester Erregung in der Stube auf und ab ging.
»Nun was haltet Ihr von der Tochter unseres Wirtes, Don Vicente?« fragte Arechiza, der mit der Unruhe Don Vicentes sein Spiel zu treiben schien. »Habe ich Rosaritas Schönheit
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