Der Waldläufer
Enttäuschung ... ein ... Ereignis ließ mich einsehen, daß ich über mich selbst ganz im Irrtum gewesen war; ich war nur ehrgeizig, weiter nichts. Ich habe darum in einer ehrenvollen Laufbahn die Befriedigung meiner Wünsche gesucht, und die Auszeichnungen sind mir zugeflossen. Ich habe das Recht erworben, vor dem König von Spanien das Haupt zu bedecken. Als Ritter des Ordens des heiligen Jakob vom Schwert, habe ich bei den Feierlichkeiten am Hof den weißen Mantel und den roten Ordensdegen getragen, und für mich war das Gelübde der Keuschheit kein betrüglicher Eid. Als Ritter Karls III. teile ich mit den Prinzen der königlichen Familie den Titel des Großkreuzes, dann nach und nach die Ordensbänder des heiligen Ferdinand, der heiligen Hermenegilde, des Goldenen Vlieses und von Calatrava – beneidete Auszeichnungen, die indes für mich nur ein trauriger Trost waren.«
Diese prunklose Aufzählung blendete den Senator, der auf den Redner einen Blick ehrfurchtsvollen Staunens warf.
Don Estévan fuhr fort: »Die Reichtümer folgten bald den Ehrenbezeigungen. Die reichen Jahresgehälter, verbunden mit dem Vermögen meiner Vorfahren, ließen die Zeit weit hinter mir, wo ich, noch ein einfacher jüngerer Sohn der Familie, nur alles wünschen durfte, und – soll ich es Euch gestehen? – ich war nicht zufrieden. Und doch hatten mich, obgleich nur einfacher Edelmann durch den Zufall meiner Geburt, meine Anstrengungen zum Grafen von Villamares, Marquis von Casareal und Herzog von Armada gemacht.«
»Oh, Señor Herzog«, sagte Despiléarro demütig, »erlaubt ... aber ... ich ...«
»Ich bin noch nicht zu Ende!« sagte der spanische Senator ruhig. »Sobald ich alles gesagt haben werde, habt Ihr hoffentlich keine Zweifel mehr. – Ohne das beleidigende Mißtrauen, das Ihr mir bewiesen habt, würde ich immer für Euch nur der heimliche Agent eines Fürsten geblieben sein, der seinen ganzen Ruhm aus dem Vertrauen geschöpft hätte, mit dem er geehrt ist; ich wäre auch ferner nur für Euch ein einfacher Edelmann Don Estévan de Arechiza geblieben und nichts weiter. Es ist aber dringend notwendig, daß die Rückkehr dieses Mißtrauens sich niemals wieder zeige; darum sollt Ihr auch den Zweck, den ich verfolge, kennenlernen; Ihr sollt meine geheimsten Gedanken lesen.«
Der spanische Señor machte eine Pause, und der Senator bereitete sich vor, ihn mit dem ehrfurchtsvollsten Schweigen anzuhören.
»Ich habe Euch eben gesagt, daß ich seit zwanzig Jahren die Freuden des Ehrgeizes statt des Ehrgeizes selbst gesucht habe; ich habe da die Unwahrheit gesagt. Ich habe zwanzig Jahre meines Lebens verbraucht, um eine Erinnerung zu töten und zu gleicher Zeit meinen Ehrgeiz zu befriedigen«, fuhr der Herzog von Armada fort, den wir auch ferner Don Estévan nennen wollen.
»Einen Augenblick habe ich gehofft, daß diese Erinnerung mitten in den Erschütterungen eines stürmischen Lebens geschwächt würde. Fast gegen meinen Willen also haben während dieser unaufhörlichen Versuche die Reichtümer und Ehrenstellen mich aufgesucht. Ich verfolgte demnach einen doppelten Zweck: den Ehrgeiz zu sättigen und einen Tag meines Lebens zu vergessen.
Als der Liebling eines Fürsten, den ein altersschwacher König und ein schwächliches Kind allein von einem der ersten Throne der Christenheit trennen; überhäuft mit Ehren und Reichtümern; hoch genug gestellt, um tausend Feinde zu haben; zu mächtig, um auch nur einen unter ihnen zu fürchten, habe ich einen Augenblick zu triumphieren gemeint; ich habe geglaubt, zwischen meine Erinnerungen und mich eine unermeßliche Entfernung gelegt zu haben – vergebliche Hoffnung! Wie bei jenen südlichen Horizonten die Durchsichtigkeit der Luft uns die abgebrochenen Umrisse eines Gegenstands trotz der Entfernung erraten läßt, so tauchten die kleinsten Ereignisse einer verabscheuten Vergangenheit ebenso klar vor meinen Augen empor wie vor der Zeit meiner Größe.
Nichts tötet das Gewissen«, fügte der spanische Grande mit düsterer Stimme hinzu, »denn ach, das blutige Schwert des heiligen Jakob war kein leeres Symbol in meiner Hand gewesen. Wenn das Gewissen nicht tötet, so gibt es doch dem Ehrgeiz eine erschreckende Regsamkeit; es ist die Stimme, die ruft: ›Vorwärts, immer vorwärts!‹«
Don Estévan schwieg, während ihn der Senator mit fast furchtsamen Blicken betrachtete, soviel finstere und ehrfurchtgebietende Würde lag in dem Gesichtsausdruck des Spaniers.
»Aber wohin
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