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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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Namen und ohne Familie war. Der Gedanke, daß nichtsdestoweniger die Tochter Don Agustins die Kühnheit dieses jungen, zerlumpten Bauern, wie er ihn nannte, nicht mit allzu ungünstigem Auge betrachten könnte, war ihm plötzlich in den Sinn gekommen, als er in der Nacht, ohne einen anderen Zeugen als die Sterne des Himmels, Tiburcio und Rosarita im Gespräch miteinander hörte. Ein solches Zusammentreffen unter dem Auge Gottes allein – war das nicht schon eine besondere Vergünstigung? Das Herz des Spaniers schwoll vor Zorn bei diesem Gedanken, und sein Ehrgeiz erhob sich für die Pläne, die dieser ihm eingeflüstert hatte. Hier war ein Hindernis, an das er keinen Augenblick gedacht hatte.
    Die Stirn des Herzogs von Armada wurde sorgenvoll. Er fand sich unvermutet einer jener dringenden Forderungen gegenüber, vor denen die Politik nicht zurückweichen darf und die, wie man sagt, von den Staatsgründen gerechtfertigt werden. Der Spanier hatte hinter sich einen Arm, bereit, das Opfer zu treffen, das er ihm bezeichnen würde; aber schon lasteten zwanzig Jahre der Buße auf seinem Haupt, ohne ihn von einem Mord, dessen er sich angeklagt hatte, reinzuwaschen. Sollte er sich nun in dem Augenblick, wo er schon die Hälfte seines Lebens überschritten hatte, der Gefahr aussetzen, die Zeit, die ihm noch zu leben übrigblieb, abermals zu vergiften?
    Don Estévan ging mit sorgenvoller Miene auf und ab; er stand unter dem Einfluß eines heftigen Kampfes, in den sein Gewissen mit seinem Ehrgeiz geraten war. Sollte er, so nahe dem Ziel, das er verfolgt hatte, zurückweichen müssen oder sich entscheiden, weiterzugehen? So wälzen die Ehrgeizigen unaufhörlich den schweren Felsblock des Sisyphus.
    Die Vorsehung, sagte der Spanier zu sich – und bei dem Wort Vorsehung flog ein bitteres Lächeln über seine Lippen –, bot mir die Gelegenheit dar, dem jungen Mann den Namen, die Ehre und die Güter, die er verloren hat, wiederzugeben. Diese gute Handlung meines reifen Alters hätte vielleicht das Verbrechen meiner Jugend gesühnt. Ich habe es verschmäht; ich verschmähe jetzt noch diese Gelegenheit; ist es nicht schon genug der Opfer für die Sache, der ich diene?
    Der Spanier kehrte zu Cuchillo zurück, der ihn aufmerksam beobachtete; aber der Schatten der Granatbäume hatte Don Estévans Gesicht dem lauernden Blick des Banditen entzogen. »Die Stunde ist da«, nahm er halblaut das Wort, indem er sich an Cuchillo wandte, »wo sich unsere Zweifel vielleicht lösen werden; aber erinnert Euch, daß, wenn ich mich herablasse, einen Mann in dem Augenblick zu belauern, wo sein Herz keine Geheimnisse haben darf, es nur geschieht, weil höhere Interessen mich zwingen, es zu tun; es geschieht aber keineswegs, um Euch von einer Tatsache zu überzeugen, deren Wirklichkeit Ihr nicht leugnen könnt. Erinnert Euch aber auch daran, daß Eure rachsüchtigen Pläne meinem Willen untergeordnet bleiben müssen!«
    Nach diesen letzten Worten, die nicht mehr mit jenem Spott gesprochen waren, der Cuchillo so sehr außer Fassung brachte, ging Don Estévan voran, und jener folgte ihm, indem er vor sich hinmurmelte: »Mein Freund Baraja soll niemals gehängt werden, wenn hier nicht genügend Grund vorliegt, daß jemand den Geschmack an guten Handlungen verliert, der zu solchen Albernheiten einen viel entschiedeneren Beruf hat als ich!«
    Man wird sich gewiß erinnern, daß Don Agustin in seiner Unterhaltung mit Don Estévan diesem letzteren alle vertraulichen Nachrichten Fray José Marias, Tiburcio Arellanos betreffend, mitgeteilt hatte. Der Spanier brauchte nur die auf Marcos' Mörder bezüglichen Punkte mit der Entdeckung, die Cuchillo sich hatte bezahlen lassen, in Verbindung zu bringen, um den Mörder im früheren Gefährten des Gambusinos zu entdecken. Das war einerseits ein glücklicher Umstand, da er den Banditen noch mehr in seine Gewalt brachte; andererseits aber war es kein Hindernis, daß nicht die Liebe Tiburcios zu Doña Rosarita den Plänen des edlen Spaniers ernstlich hemmend in den Weg trat.
    Der Sturm, der Tiburcio bedrohte, wurde also immer furchtbarer. Allem Anschein nach war er kurz vor dem Ausbruch, denn zu der gedemütigten Eigenliebe und der aufgeschreckten Rachsucht Cuchillos, deren Stimmen in seiner Brust grollten, kam auch noch – je nach dem Resultat seines Zusammentreffens mit Rosarita – der getäuschte Ehrgeiz des Herzogs von Armada.
    Tiburcio hatte sein Zimmer mit so viel Vorsicht verlassen, daß er sich schmeicheln

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