Der Waldsteig
Bad, welches der Doctor vorgeschlagen hatte. Das erste, was er nun that, war, daß er befahl, daß sein Reisewagen in reisefertigen Stand gesezt werde. Seine Leute erschraken über diesen Befehl, leisteten ihm aber Folge. Er hatte in seinem ganzen Leben keinen Reisewagen gebraucht, da er nie weiter von seinem Gute gekommen war, als in die Stadt. Daher glaubten seine Hausgenossen, daß er erst jezt vollends närrisch geworden sei, oder sich im Beginne der Besserung befinde. Sie zogen den Reisewagen aus seinem Behältniß, in welchem er, seit ihn Herr Tiburius hatte machen lassen, gestanden war, auf den Hof hervor, und untersuchten, ob er an allen Stellen gut sei, und versahen ihn dann mit allen Sachen, welche ein solcher Reisender wie Herr Tiburius war, auf seinem Wege brauchen könnte. Hierauf schikte er um alle Bücher, welche über dieses einzelne Bad vorhanden wären, daß er sie mitnähme und dort lese. Dann schrieb er selber auf einen Bogen Papier die Sachen auf, welche seine Diener mit nehmen mußten, worunter auch seine Grauschimmel und sein Spazierwagen waren, die vorausgehen mußten, daß er sie dort gleich habe. Endlich mußte noch sogleich an den nöthigen Kleidern, Sizkissen und andern Geräthen gearbeitet werden. Er machte diese Sachen mit ziemlichem Geschike.
Zu dem Doctor, zu dem er noch zweimal während der Zeit gekommen war, sagte er kein Wörtlein; derselbe schien auch auf die Unterredung über das Bad völlig vergessen zu haben.
Nachdem so eine Weile vergangen war, kamen eines Tages vier Postpferde auf das Gut des Herrn Tiburius und zogen den Herrn in seinem Reisewagen zur Verwunderung aller Menschen in die Fremde fort.
Ich darf mich nicht darauf einlassen, seine Reise zu beschreiben, da sie mit dem Zweke dieser Zeilen nicht gar innig zusammen hängt: aber das muß ich doch sagen, daß es dem Herrn Tiburius vorkam, als fahre er schon viele, viele Meilen, als sei er schon in der fernsten Entfernung, da er bereits einen Tag fuhr, da er den zweiten fuhr, und da endlich gar der dritte gekommen war.
Am Nachmittage dieses dritten Tages, da eine unbeschreiblich große Sommerhize herrschte, fuhr er in einem langen schmalen Gebirgsthale einem schönen grünen rauschenden spiegelklaren Wasser entgegen. Als das Thal sich erweiterte, sah man aus einer großen Hütte eine weiße Dampfwolke aufsteigen, und der Diener sagte zu Herrn Tiburius, das sei der Dampf, der aus der Sole aufsteige, die in dem Hause gekocht werde, und man sei ganz nahe an dem Ziele der Reise. Bald nach diesen Worten fuhr Herr Tiburius in seinem von allen Seiten geschlossenen Wagen in die Gassen des Badeortes ein. Es war in demselben wegen der großen Hize sehr still, niemand war im Freien, die gegliederten Fensterläden und die Fenstervorhänge waren zu, höchstens, daß bei einer Spalte oder bei einer Falte ein paar Augen heraus schauten, um zu sehen, wer denn wieder gekommen sei.
Herr Tiburius fuhr vor den Gasthof, in welchem ihm auf ein Schreiben seines Dieners ein Zimmerlein war aufgehoben worden. Er stieg aus und wurde in das Zimmerlein hinauf geleitet. Dort sezte er sich an das gelbangestrichene Tischlein, das da stand. Seine Diener und die Leute des Gasthauses waren beschäftigt, die Dinge, die der Wagen enthielt, auszupaken und herauf zu tragen.
Herr Tiburius konnte sich nun mit Beruhigung sagen, daß er da sei. Aus der spöttischen Aeußerung des kleinen Doctors war Ernst geworden. Gestern, da er noch in der Ebene draußen fuhr, hatte Herr Tiburius gedacht, wenn er nur nicht eher stürbe, ehe er ankäme, dann wäre alles gut: jezt war er angekommen, und saß bereits neben seinem Tischlein da. Die Leute räumten beinahe die ganze Stube mit den Sachen voll, die sie in dem Wagen fanden. Durch die grünen Schienen der Fensterläden sahen duftige Bergwände herein – er war fast berauscht und legte sich seine Reiseeindrüke zurecht. Da waren noch die unendlichen Felder und Wiesen und Gärten, durch die er gefahren war, und die Häuser und Kirchthürme, die alle an ihm vorüber gegangen waren, dann rükten gar Gebirge näher, dann schwankte ein langer grüner See in seinem Haupte, über den er sammt seinem Reisewagen gefahren war, und dann war das eilende Wasser in dem Thale und das erschrekliche Blizen der Sonne auf allen Bergen. – –
Aber auf das alles durfte Herr Tiburius zulezt doch nicht gar zu stark denken; denn es waren jezt ganz andere Dinge nothwendig, nehmlich, daß seine Wohnung für seine Krankheit gehörig
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