Der Weg des Feuers
tadelloses Benehmen, trotzdem lächelten diese meist und waren freundlich. Heute aber hatten alle ernste Mienen, und es herrschte bedrückende Stille.
Medes begab sich wie üblich zum Träger des Königlichen Siegels, um sich neue Anweisungen zu holen. Da Sehotep nicht anwesend war, wollte er sich an Senânkh wenden, aber der Große Schatzmeister hielt sich nicht in seinem Büro auf. Beunruhigt bat Medes um eine Unterredung beim Wesir, der ihn auch sofort empfing.
Der bejahrte, füllige, aber entschiedene ehemalige Herr über den Gazellengau und Feind von Sesostris, Chnum-Hotep, hatte schließlich eingesehen, dass eine Vereinigung von Ober-und Unterägypten unter der Oberhoheit von Pharao Sesostris dringend notwendig war. Als ausgezeichneter Verwalter und harter Arbeiter verjagte er die Schrecken des Alters, indem er seinem Land mit einer Hingabe und einem Sachverstand diente, die alle bewunderten. Wer es aber wagen sollte, eine unberechtigte Vergünstigung zu verlangen, bekam seinen schrecklichen Zorn zu spüren.
In seinem Lieblingsbecher, der mit Blattgold verziert und mit Lotusblüten geschmückt war, mischte Chnum-Hotep drei alte Weine. Dank dieses Jungbrunnens und kräftiger Mahlzeiten verfügte er über weitaus mehr Kräfte als seine Untergebenen, die bei seinem Arbeitseifer oft nicht mithalten konnten. Seine drei Hunde, ein lebhaftes Männchen und zwei rundliche Weibchen, wichen ihm nicht von der Seite. Zweimal am Tag durften sie einen ausgedehnten Spaziergang unternehmen und folgten ihrem Herrn, der es sich dabei in einem Tragesessel mit verstellbarer Rückenlehne bequem machte und sein Aktenstudium unterwegs fortsetzte.
»Was führt dich zu mir, Medes?«
»Weil Sehotep und Senânkh nicht da sind, wollte ich Euch fragen, ob es irgendwelche dringende Aufträge für mich gibt.«
»Es genügt, wenn du dich um die laufenden Geschäfte kümmerst. Der Königliche Rat tritt heute nicht zusammen.«
»Es muss wohl etwas Schreckliches geschehen sein. Der ganze Palast scheint Trauer zu tragen.«
»Das liegt an sehr schlechten Neuigkeiten aus Kanaan. Sesostris ist ein furchtbares Unglück widerfahren. Deshalb ist hier keinem nach Lächeln zumute.«
»Gab es einen neuen Aufstand in Kanaan?«
»Nein, Iker, der Königliche Sohn, wurde ermordet«, erklärte der Wesir.
Medes machte ein entsprechendes Gesicht. »Dazu kann ich nur eines sagen: Ich hoffe, dass die Schuldigen hart bestraft werden.«
»General Nesmontu ist dabei, und der Pharao wird den Aufständischen das Kreuz brechen.«
»Soll ich mich um die Heimholung des Leichnams kümmern?«
»Das erledigt Sehotep, und Senânkh lässt das Grab bereiten. Iker wird in Memphis ruhen, und es gibt nur ein kleines Begräbnis. Der Feind soll nicht wissen, wie sehr er den Pharao getroffen hat. Du und ich, wir beide wachen inzwischen darüber, dass hier alles weiter seinen Gang geht.«
Als Medes das Arbeitszimmer von Chnum-Hotep verließ, hätte er am liebsten vor Freude gesungen und getanzt. Mit dem Wissen, Iker losgeworden zu sein, den er für sehr gefährlich gehalten hatte, sah er der Zukunft zuversichtlich entgegen. Und der Prophet, der von einem bedrohlichen Spitzel befreit war, musste nicht mehr befürchten, entdeckt zu werden.
Mit auf dem Rücken gefesselten Händen hatte Iker lediglich sein Gefängnis gewechselt, aber ohne die geringste Aussicht auf Fluchtmöglichkeiten. Da Dreizehn alles wusste, war Ikers Schicksal besiegelt: Verhör, Folter, Hinrichtung. Trotzdem benahm sich der Junge nicht feindselig, sondern gab seinem zukünftigen Opfer sogar selbst etwas zu essen und zu trinken.
»Mach dir keine Sorgen, Iker, wir werden dich schon umerziehen. Bisher hast du leider an die falschen Werte geglaubt. Aber ich habe dich schließlich nicht umsonst gerettet.«
»Kann ich denn wenigstens einmal den Propheten sehen, ehe ich sterbe?«
»Du musst nicht sterben! Jedenfalls nicht so bald. Zuerst sollst du Gehorsam lernen. Und dann kannst du wirklich gegen den Gewaltherrscher kämpfen. Wenn du dabei getötet wirst, kommst du in den Himmel.«
Der Königliche Sohn tat so, als sei sein Widerstand gebrochen. Wenn er sich gelehrig zeigte, gab es vielleicht doch noch einen Ausweg.
»Der Pharao bezeichnet den Propheten als Verbrecher«, sagte er leise. »Er behauptet, dass einzig und allein Ägypten das Wohlergehen Kanaans gewährleisten kann.«
»Er lügt!«, empörte sich Dreizehn. »Er selbst ist der Verbrecher! Und dich hat man nur ausgenützt. Dank meiner
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