Der Weg des Feuers
weiche Zunge leckte ihm zärtlich die Backe. Das war Fangs Art, ihn zu trösten. Und dieser unverhoffte Freundschaftsbeweis rettete den Königlichen Sohn. Er stand auf, und von diesem Augenblick an ertrug sein Körper die harte Arbeit ohne Murren. Anstatt ihn zu zerstören, machte ihn die Zwangsarbeit nur noch stärker.
Als der Anführer sah, dass sein Hund den Gefangenen begleitete und sogar gegen einen von seinen Schergen verteidigte, der ihn verprügeln wollte, war er sehr überrascht. Fang war der geborene Schlächter und hätte den Sklaven eigentlich zerfetzen müssen! Iker musste magische Kräfte besitzen, mit denen er den Hund so verführt hatte. Hätte er nicht auch schon längst unter der harten Arbeit zusammenbrechen müssen?
Niemand, selbst nicht ein Stammesoberhaupt der Kanaaniter, machte sich über einen Zauberer lustig. Würde er nicht vielleicht seine Folterknechte verfluchen, wenn sie ihn umbrachten? Am besten behandelte man Iker einigermaßen gut, ohne dabei sein Gesicht zu verlieren. Außerdem war es dringend notwendig, das Lager zu wechseln. Der Stamm hatte sich bereits viel zu lange am gleichen Ort aufgehalten. Der Königliche Sohn musste für die Marschverpflegung sorgen. Iker gehorchte folgsam. Sollte er an Flucht denken, täuschte er sich gewaltig. Fang zerfleischte jeden Ausreißer.
10
Dank Gergus ebenso sicherem wie leistungsfähigem Netz von Handlangern hatte eine weitere Stele Abydos ungestraft verlassen können. Bega kannte alle Kapellen und ihre Ausstattung und verfügte so über zahlreiche Kostbarkeiten, die sich verkaufen ließen – ganz zu schweigen von den zukünftigen Offenbarungen über die Mysterien des Osiris. Mit diesen Geschäften verstieß er zwangsläufig gegen seinen Priestereid, aber das störte ihn nicht mehr. Als Verbündeter von Seth und Anhänger des Propheten wäre er einer der Ersten, die nach der Vernichtung der jetzigen Machthaber die letzten Geheimnisse erblicken durften, zu denen er bislang keinen Zugang hatte.
Weil er inmitten der heiligen Stadt lebte, misstraute ihm niemand. Der Kahle schätzte seine Strenge und wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass es der größte Wunsch eines ständigen Priesters von unbescholtenem Ruf sein konnte, Abydos zu vernichten.
Bega dagegen misstraute Isis, deren Aufstieg noch nicht zu Ende war. Allerdings hatte die junge Frau wohl nichts für Macht und Ruhm übrig, was sich aber noch ändern konnte. Um vor unangenehmen Überraschungen sicher zu sein, beobachtete Bega Isis heimlich. Aber da war nichts, was man ihr hätte vorwerfen können: Sie erfüllte ihre rituellen Pflichten, verbrachte viel Zeit in der Bibliothek vom Haus des Lebens, betete im Tempel, führte Gespräche mit ihren Mitbrüdern und Mitschwestern und sorgte für ihren Esel, der sich bisher noch nichts hatte zuschulden kommen lassen.
Und obwohl die Priesterin häufig nach Memphis reiste, bewegte sie sich immer im Reich der Spiritualität, die doch so bald zerstört werden sollte. Verdankte der Pharao etwa nicht den Mysterien des Osiris seine Macht? Wenn der Baum des Lebens einging und die himmlische Barke zerfiel, wäre Sesostris nur noch ein unsicherer, verletzlicher Willkürherrscher, dem der Prophet den Todesstoß versetzen würde.
Warum hasste Bega das, was er früher verehrt hatte, so? Weil die Führung des Landes seinen wahren Wert nicht erkannt und gewürdigt hatte. Und das war ein unverzeihlicher Fehler gewesen.
Falls der König seinen Irrtum eingesehen hätte, wäre Bega vielleicht bereit gewesen, auf seine Rache zu verzichten. Seit er aber dem Propheten begegnet war, gab es keinen Schritt zurück mehr.
»Du hast nun Dienst im Tempel von Sesostris«, teilte ihm der Kahle mit.
»Die anderen ständigen Priester auch?«
»Jeder tut seine Arbeit dort, wo ich ihn hingeschickt habe. Morgen früh verläuft alles wieder nach dem gewohnten Ritual.«
Bega wusste, was das hieß: Der Goldene Kreis traf sich. Warum nahm ihn die Bruderschaft nicht darin auf? Diese erneute Erniedrigung bestärkte Bega nur in seiner Entschlossenheit, seine wahre Bedeutung zu beweisen, auch wenn er sich auf diesem Weg endgültig von Maat entfernte.
Sobald Sesostris irgendwo erschien, wusste jeder sofort, dass er der Pharao war. Ein Hüne mit strenger Miene, sehr großen Ohren, schweren Lidern und knochigen Wangen, dessen bohrendem Blick niemand standhalten konnte.
Der körperlich gestählte Herr über die Sicherheitskräfte von Ägypten, Sobek der Beschützer, versuchte
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