Der Weg des Feuers
immer wieder vergeblich, dem König das Reisen auszureden. Es war schon schwierig genug, in Memphis für seine Sicherheit zu sorgen. Die ständigen Ortswechsel aber stellten ihn vor schier unlösbare Aufgaben. Sechs erstklassige Wachleute, die Sobek persönlich und mit äußerster Strenge auf ihren Dienst vorbereitet hatte, bewachten den Pharao rund um die Uhr. Sie würden gegen jeden, ungeachtet seiner Person, vorgehen, der den König bedrohte.
Eine große Unwägbarkeit bedeutete es auch, wenn Sesostris allein im Naos eines Tempels die Rituale beging oder wenn er eine Privataudienz gab. Für Sobek war ausnahmslos jeder verdächtig. Und die beiden Anschläge, die man auf den Pharao verübt hatte, bestärkten ihn nur noch in seiner Meinung. Sobek hatte ständig Angst um seinen Herrn, fiel nie in tiefen Schlaf und wollte nichts dem Zufall überlassen.
Sobek wusste auch, wovon seine Gegner träumten: Sie wollten ihn in den Dreck ziehen und vor dem Pharao verleumden. Das jüngste Unternehmen von diesem Höflingsklüngel, den er ebenso verabscheute, wie sie ihn hassten, war allerdings gescheitert. Sobek war mit zusätzlichen Befugnissen auf seinen Posten zurückgekehrt und haderte damit, dass er nicht das Netz der aufständischen Kanaaniter aufdecken konnte, die sich – und da war er ganz sicher – in Memphis und vielleicht auch anderswo eingeschlichen hatten. Zwar war eine stattliche Anzahl von Verbrechern in ihre Heimat zurückgekehrt, aber andere waren in der ägyptischen Bevölkerung untergetaucht und begingen nicht den kleinsten Fehler. Wie lange würden sie sich aber noch damit begnügen, tatenlos in ihren Behausungen zu hocken? Und welche Anschläge planten sie?
Ein Würdenträger machte Sobek besonders Sorgen: Iker, der Königliche Sohn, der versucht hatte, Sesostris zu töten, und dessen Reue ihm zweifelhaft erschien. Trotz des erlesenen Titels, der ihm zugesprochen war, traute Sobek diesem Schreiber nicht, den er noch immer für einen Helfershelfer der Kanaaniter hielt.
Doch diese Bedrohung gab es heute nicht mehr, weil der entstellte Leichnam von Iker gerade in der Nekropole von Memphis bestattet worden war.
Sobek der Beschützer überprüfte die
Sicherheitsvorkehrungen um den Tempel. Kein zeitweiliger Priester konnte Sesostris’ Tempel der Millionen Jahre betreten, solange die ständigen Priester ihr Bestattungsritual feierten. Zusätzlich durchkämmten zahlreiche Wachleute die Straßen um den Ausdauernden Ort.
Deshalb konnte der König ganz unbesorgt den Goldenen Kreis in einem der Säle von Osiris’ Tempel zusammenrufen. In jeder der vier Himmelsrichtungen war ein Opfertisch aufgestellt. Im Osten saßen der Pharao und die Königin; im Westen der Kahle und Djehuti, der Stadtvorsteher von Dahschur – dort standen die Pyramide des Königs und der verwaiste Sitz von General Sepi; im Süden hatten der Wesir Chnum-Hotep, der Große Schatzmeister Senânkh und Sekari ihren Platz; und im Norden schließlich saßen der Träger des Königlichen Siegels, Sehotep, und General Nesmontu. Der Pharao erteilte dem Kahlen das Wort.
»Kein neuer böser Fluch hat den Baum des Lebens getroffen«, berichtete er. »Trotzdem wird er nicht gesund. Die verschiedenen magischen Schutzmaßnahmen erweisen sich zwar als wirksam, aber wird sie der Feind nicht bald umgehen?«
»Hat das, was Isis unternommen hat, denn etwas genützt?«, wollte die Königin wissen.
»Ja, Majestät. Mit dem Spiegel der Hathor ist es ihr gelungen, der Akazie wieder ein wenig von ihrer Lebenskraft zurückzugeben. Aber insgesamt betrachtet, zeigen all unsere Bemühungen nur mäßige Erfolge, und ich befürchte, dass der Verfall des Lebensbaums bald weitergeht.«
Der Kahle war eben von Natur aus ein Schwarzseher und pflegte die Wahrheit nicht zu beschönigen. Dennoch konnten seine Erklärungen nicht die große Zuversicht Sehoteps schmälern, der mit seinem fein geschnittenen Gesicht und seinen funkelnden Augen die schönsten Frauen des Landes verführte. Stets unruhig und in Eile, hütete er die Tempelgeheimnisse, wachte über die Gesundheit des Viehs und war glücklich, dass er weltliche Aufgaben durch sein Amt als Oberaufseher über alle Baustellen des Pharaos mit spirituellen verbinden konnte. Und als solcher versuchte er jetzt auch, die Versammelten zu beruhigen.
»Dank Djehutis unermüdlicher Arbeit werden die Bauwerke in Dahschur bald vollendet sein«, berichtete er. »Dann verströmt die Pyramide ka, was die Beständigkeit der Herrschaft
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