Der Weg des Feuers
oder das Land Punt liegen.«
»Das sind doch alles nur Erfindungen!«
»Ich werde meine Untersuchungen fortsetzen, in der Hoffnung, einen oder mehrere entscheidende Hinweise zu entdecken.«
»Was hat Sesostris beschlossen?«
»Er vermutet, dass ein Aufständischer für unser Unglück verantwortlich ist, der sich der Prophet nennt und in Kanaan sein Unwesen treibt. Er schickt seinen Königlichen Sohn Iker dorthin, damit er ihn ausfindig macht. Nur der engste Beraterkreis und die Freunde des Herrschers – wie Ihr und ich
– sind unterrichtet.«
Isis hatte eine besonders heikle Aufgabe: Sie musste stets auf der Hut sein und alle zeitweiligen und ständigen Bewohner von Abydos überwachen, um sicherzugehen, dass keiner von ihnen mit dem Feind unter einer Decke steckte. Weil der König seinem Oberpriester vorbehaltlos vertraute, hatte er ihr erlaubt, ihn einzuweihen.
»Während deiner Abwesenheit ist mir nichts
Ungewöhnliches aufgefallen«, berichtete der Kahle. »Jeder ist bemüht, seine Aufgaben so gut es irgend geht zu erfüllen. Wie sollte sich denn so ein böser Geist bei uns einschleichen?«
»In der Werkstatt des Hathor-Tempels von Memphis hat man mir einen kostbaren Gegenstand gegeben, dessen Wirkungsweise ich gern versuchen würde.«
Der Kahle und die Priesterin verließen das Heiligtum von Sesostris und begaben sich zum Baum des Lebens, mitten im heiligen Wald von Peker. Wie jeden Tag war die kleine Schar der ständigen Priester damit beschäftigt, aufs Gewissenhafteste ihren Aufgaben nachzukommen. Um die spirituelle Energie am Leben zu erhalten, die diese Stätte durchtränkte, und die lebensnotwendige Verbindung zu den Lichtwesen zu bewahren, feierte der Diener des ka den Ahnenkult. Der Priester, der den Auftrag hatte, das Trankopfer von frischem Wasser zu vergießen, ließ keinen Opfertisch aus. Der die Geheimnisse sah, kümmerte sich um den vorschriftsmäßigen Ablauf der Rituale, und der über die Unversehrtheit des großen Leichnams von Osiris wachte, überprüfte die Siegel, die an der Tür zu seinem Grab angebracht waren. Und die sieben Musikerinnen, die den göttlichen Geist entzücken sollten, spielten ihre Partitur in Übereinstimmung mit dem himmlischen Einklang.
Als Träger der Goldenen Palette, auf der die Worte der Erkenntnis verzeichnet waren, die ihnen Abydos offenbart hatte, sprach sie der Pharao überall, wo er sich aufhielt, aus, um zu vermeiden, dass die Kette der Offenbarungen abriss. Der Kahle und die Priesterin begossen den Stamm der Akazie, der nur noch wenig Leben zeigte, mit Wasser und Milch. In den vier Himmelsrichtungen gepflanzt, sorgten vier junge Akazien für ein schützendes Kräftefeld.
»Mögest du weiter in diesem Baum wohnen, Osiris«, flehte der Kahle. »Möge er weiterhin das Bindeglied zwischen Himmel, Erde und Unterwelt sein, den Eingeweihten Licht spenden und diesem Land, das die Götter lieben, Wohlstand schenken.«
Die Priesterin richtete die goldene Scheibe auf die Sonne, damit ihr Strahlen den Baumstamm sanft berühren konnte und ihm ein wenig Wärme gab, ohne ihn zu verbrennen. Diese Maßnahme war sehr gefährlich, musste äußerst vorsichtig durchgeführt werden und durfte nicht allzu lange dauern. Mit der rituellen Feier der tönernen Kugeln, die das Sonnenauge darstellen sollten, hatte der Pharao den magischen Wall um die Akazie verstärkt. Von nun an konnte ihn keine böse Strahlung mehr überwinden. Aber waren diese Schutzvorkehrungen nicht bereits zu spät getroffen worden?
Isis legte den Spiegel in eine Kapelle des Osiris-Tempels, in der die Barke aufbewahrt wurde, die man für die rituelle Feier der großen Mysterien brauchte. Der Kahle hatte festgestellt, dass ihr Vorbild nicht mehr wie sonst über den Himmel fuhr. Um ihr Auseinanderfallen zu verhindern, hatte der König Isis damit beauftragt, jedes einzelne ihrer Teile zu benennen und so ihren Zusammenhalt zu bewahren. Mit diesem Notbehelf wollte man eines der grundlegenden Symbole von Abydos am Leben erhalten, das für die Energie sorgte, die für die Auferstehung unerlässlich war.
Den Ausdauernden Ort hatte man streng nach Vorgabe von Sesostris gebaut. Jede seiner Straßen war fünf Ellen breit, und die Größe der Häuser, die alle aus Ziegeln gebaut waren und aus einem Innenhof, einem Empfangsraum und den privaten Gemächern bestanden, war begrenzt. Von den schönen Villen aus blickte man auf die Wüste. An der südwestlichen Ecke der Stadt lag die stattliche Residenz des
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