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Der Weg in Die Schatten

Titel: Der Weg in Die Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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bin, werdet Ihr Euch eine Weile vor Schatten erschrecken. Aber nachdem Ihr Euch ein Dutzend Mal erschreckt habt und ich nicht da war, werdet Ihr nur einmal nicht erschrecken, und das ist der Moment, in dem ich da sein werde. Es schert mich nicht, ob Ihr mich zur gleichen Zeit tötet. Ich werde mein Leben gegen Eures eintauschen.«
    Durzos Augen brauchten sich kaum zu bewegen, um den Wechsel von erheiterter Gefährlichkeit zu schlichter Gefährlichkeit zu vollziehen. Aber Azoth sah sie nicht einmal durch die Tränen, die in seinen eigenen Augen standen. Er sah nur den leeren Blick, der in Jarls Augen getreten war, und stellte sich vor, ihn in den Augen von Puppenmädchen zu sehen. Er stellte sich ihre Schreie vor, wenn Ratte jede Nacht kam und sie holte. Sie würde während der ersten Wochen wortlos schreien und sich vielleicht wehren - für eine Weile würde sie beißen und kratzen
-, und dann würde sie nicht mehr schreien, würde sich überhaupt nicht mehr wehren. Es würde nur Ächzen geben und die Geräusche von Fleisch und Rattes Vergnügen. Genau wie bei Jarl.
    »Ist dein Leben so leer, Junge?«
    Das wird es sein, wenn Ihr Nein sagt. »Ich will so sein wie Ihr.«
    »Niemand will so sein wie ich.« Blint zog ein riesiges schwarzes Schwert und berührte mit der Schneide Azoths Kehle. In diesem Moment kümmerte es Azoth nicht, ob die Klinge sein Lebensblut trank. Der Tod würde freundlicher sein, als mit ansehen zu müssen, wie Puppenmädchen vor seinen Augen verschwand.
    »Du tust gern Menschen weh?«, fragte Blint.
    »Nein, Herr.«
    »Hast du schon jemals jemanden getötet?«
    »Nein.«
    »Warum verschwendest du dann meine Zeit?«
    Was war los mit ihm? Meinte er das wirklich ernst? Er konnte es nicht ernst meinen. »Ich habe gehört, dass es Euch nicht gefällt. Dass einem das Töten nicht gefallen muss, um gut darin zu sein«, entgegnete Azoth.
    »Wer hat dir das erzählt?«
    »Momma K. Sie sagte, das sei der Unterschied zwischen Euch und einigen der anderen.«
    Blint runzelte die Stirn. Er zog eine Knoblauchzehe aus einem Beutel und schob sie sich in den Mund. Während er kaute, steckte er sein Schwert in die Scheide.
    »Also schön, Kleiner. Du willst reich werden?« Azoth nickte. »Du bist schnell. Aber kannst du erkennen, was deine Opfer denken, und fünfzig Dinge gleichzeitig im Kopf behalten? Hast du geschickte Hände?« Nicken. Nicken. Nicken.

    »Werde Glücksspieler.« Durzo lachte.
    Azoth lachte nicht. Er blickte auf seine Füße. »Ich will keine Angst mehr haben.«
    »Ja’laliel schlägt dich?«
    »Ja’laliel ist nichts.«
    »Wer ist es dann?«, erkundigte sich Blint.
    »Unsere Faust. Ratte.« Warum war es so schwer, seinen Namen auszusprechen?
    »Er schlägt euch?«
    »Es sei denn, man... es sei denn, man tut Dinge mit ihm.« Es klang schwach, und Blint sagte nichts, daher fügte Azoth hinzu: »Ich werde nicht zulassen, dass mich irgendjemand noch einmal schlägt. Nie mehr.«
    Blint schaute weiter an Azoth vorbei und gab ihm Zeit, seine Tränen wegzublinzeln. Der volle Mond tauchte die Stadt in ein goldenes Licht. »Die alte Hure kann wunderschön sein«, sagte er. »Trotz allem.«
    Azoth folgte Blints Blick, aber es war niemand anders zu sehen. Silberner Nebel erhob sich über dem warmen Mist der Viehhöfe und wand sich spiralenförmig um alte, zerbrochene Aquädukte. In der Dunkelheit konnte Azoth den brennenden Mann, der frisch über den schwarzen Drachen seiner eigenen Gilde gepinselt war, nicht sehen, aber er wusste, dass er da war. Die Gilde hatte ständig Territorium verloren, seit Ja’laliel krank geworden war.
    »Herr?«, fragte Azoth.
    »Diese Stadt hat keine andere Kultur als Straßenkultur. Die Gebäude sind in einer Straße aus Ziegelstein, in der nächsten aus mit Lehm versehenem Flechtwerk und in der übernächsten aus Bambus. Die Titel sind alitaerisch, die Kleider callaeisch, die Musik zur Gänze bestimmt von sethischen Harfen und
lodricarischen Leiern - und die verdammten Reishalme selbst haben sie aus Ceura gestohlen. Aber solange du sie nicht berührst oder zu genau hinschaust, kann sie manchmal wunderschön sein.«
    Azoth glaubte zu verstehen. Man musste vorsichtig sein, was man im Labyrinth berührte und wo man hintrat. Erbrochenes und andere Körperflüssigkeiten waren auf den Straßen verspritzt, und die von Dung genährten Feuer und der fettige Dampf von den stets brodelnden Talgfässern bedeckten alles mit einer öligen, rußigen Schicht. Aber er hatte keine Antwort auf

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