Der Weg in die Verbannung
die darauf hinwiesen, daß Dakota in diesen Gegenden unterwegs waren, jedoch begegnete er keinem Indianer, auch keinem Weißen. Unbehelligt näherte er sich der kahlen sandigen Hügellandschaft, durch die die Wasser des Niobrara dahineilten. Er hatte es so eingerichtet, daß er auf die Stelle, an der Ben sich vermutlich niedergelassen hatte, nicht vom Westen, sondern vom Nordosten her zukam. Er wollte den Zahnlosen von seinem Abenteuer in den Black Hills nichts ahnen lassen.
Ein Wellental lief schräg dem Flusse zu, und in diesem hielt sich der Reiter. Die Fährten häuften sich immer mehr, je näher The Red dem Flusse kam. Es schien hier neuerdings ein lebhafter Verkehr zu herrschen, wobei der Begriff »lebhaft« an den Verhältnissen dieser wilden Prärien gemessen werden mußte. Reiterfährten, sogar eine Fährte von Ochsenkarren, liefen durch das leicht zu befahrende Wiesental der Richtung des Flusses zu und auch davon weg. Die Handelszentrale des zahnlosen Ben mußte schon nach den wenigen Monaten, seit denen sie bestand, ein weithin wirkender Anziehungspunkt geworden sein. The Red beeilte sich nicht. Wenn hier ein derartiger Verkehr in Gang gekommen war, konnte das nur mit Zustimmung oder wenigstens stillschweigender Billigung der Dakota geschehen sein. Ben mußte sich auf irgendeine Weise deren Wohlwollen erkauft haben. Vielleicht lieferte er ihnen Waffen, Tomahawks und Messer mit Stahlschneiden, alte Flinten. Der bestehende Friedenszustand galt ohne Zweifel auch für einen so harmlos daherreitenden armen Teufel wie The Red. Die Bodenwellen, zwischen denen Jim ritt, traten zur Seite, und es tat sich mit einem Schlage der Blick über die Wiesen auf, die sich sanft bis zum Flusse senkten. Es war hoher Sommer, und die Fluten, die im Frühjahr bis zum Fuße der Hügel spielten, hatten sich auf einige Rinnsale zurückgezogen, zwischen denen breite Sandbänke herausragten. The Red überquerte das Flußbett und hatte dabei die Vorgänge auf dem jenseitigen Ufer im Auge.
Ben war kein schlechter Unternehmer! Jim erkannte den Schwarzhaarigen sofort, der inmitten einer kleinen Schar handfester Kerle den Befehlshaber spielte. Oberhalb des Flußbettes, das im Frühling von Wasser ausgefüllt sein mußte, jetzt aber weithin trocken lag, befanden sich am Südufer eine Anzahl Zelte, dazwischen lagen Stämme, zum Teil schon zugerichtet, und ein Blockhaus war im Entstehen. Beilhiebe erklangen, kurze Zurufe, die üblichen Flüche, eine Art Hausmannskost von kleinen Zornesausbrüchen, die die Arbeit erleichterten. Südwestlich bei den ansteigenden kahlen Sandhügeln lagerten Indianer, ein paar Sioux-Dakota, friedlich daneben gruppierten sich einige noch frei lebende Cheyenne. Alle diese Indianer sahen nicht aus, als ob sie noch Angehörige der großen freien Stammesverbände seien; sie gehörten sicher zu denen, die da und dort bereits abgesplittert waren, denn sie sahen und das erkannte The Red auch aus der Entfernung schmutzig und ungepflegt aus und vergnügten sich damit, Branntwein zu trinken. Diesen Branntwein mußten sie von Ben eingehandelt haben. Wofür, das konnte The Red nicht ohne weiteres feststellen, denn die Tauschware, die aus den Händen der Indianer in den Besitz Bens gewandert war, war nicht zu sehen. Sie befand sich sicherlich in den Zelten, die der Handelsmann aufgeschlagen hatte.
The Red beschloß, den Großspurigen zu spielen. Diese Rolle fiel ihm am leichtesten. Sie entsprach seinem Charakter. Sobald er den Fluß überquert hatte, lenkte er auf Ben zu. »Hallo, alter zahnloser Schleicher!«
Ben nahm die Pfeife aus dem Mund und spuckte. »Ahoi, du verirrter Bandit! Läßt du dich wieder einmal bei einem Freunde sehen?«
»Gut installierter Freund bist du geworden, mein zahnloser Bekannter! Ich bin es gewesen, der dir geraten hat, dich hier niederzulassen! Guter Rat gewesen! Was gibst du mir dafür?«
»Möchte dich lieber in Kanada wissen als hier. Aber wenn du nun schon da bist laß uns einen Drink zusammen nehmen!«
»Als Anfang mag das angehen. Ich komme!«
The Red stieg ab, führte sein Pferd zu einem Platz, wo das Gras verhältnismäßig saftig wuchs, etwas abseits der anderen Tiere, und machte es fest. Dann schlenderte er wieder zu Ben hin und betrachtete die Arbeit am Blockhaus, dessen starke Wände sich schon bis zu halber Höhe des künftigen Hauses erhoben.
»Donnerschlag, Ben, wo hast du denn das starke Holz her?«
»Vom Himmel ist es gefallen.«
»So wird’s sein. Du hast dir
Weitere Kostenlose Bücher