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Der Weg Nach Tanelorn

Der Weg Nach Tanelorn

Titel: Der Weg Nach Tanelorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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menschliche Gestalten – weder Geister noch Sterbliche – ließen sich nirgendwo blicken, während Falkenmond immer tiefer in die Dunkelheit ritt.
    Dorian Falkenmond war verwirrt. Er war verbittert. Er hatte sich ein Leben ländlicher Ruhe erhofft. Die einzigen Probleme, mit denen er gerechnet hatte, waren die, die mit der Erziehung der Kinder zusammenhingen, alltägliche Probleme, wie jeder sie hatte.
    Und nun diese verdammte Ungewissheit. Nicht einmal eine Kriegserklärung hätte ihn auch nur halb so sehr aus der Fassung bringen können. Ein Feldzug, selbst gegen das Dunkle Imperium, war etwas, das er diesen gemeinen Verdächtigungen vorgezogen hätte. Würde er die Messingornithopter Granbretaniens am Himmel sehen oder die Armeen in ihren Tiermasken, die grotesken Kutschen und alles andere Bizarre, das das Dunkle Imperium ausgemacht hatte, er hätte gewusst, was er tun müsste – oder wenn der Runenstab ihn erneut riefe.
    Aber diese heimtückische Wühlarbeit! Wie konnte er gegen Gerüchte, gegen Geister ankommen, wenn sich alte Freunde gegen ihn stellten!
    Immer noch trottete der gehörnte Hengst über die Marschwege. Immer noch waren keine Anzeichen, dass es außer ihm, Falkenmond, hier noch anderes menschliches Leben gab. Er wurde allmählich müde, denn er war heute schon früher aufgestanden als sonst, um sich für das Fest fertigzumachen. Er hegte bereits den Verdacht, dass nichts sich hier draußen befand, dass Czernik und die anderen sich das Ganze nur eingebildet hatten. Er lächelte über sich. Welch Narr er doch war, das Gerede eines Betrunkenen ernst zu nehmen.
    Und gerade in diesem Augenblick sah er die Erscheinung! Sie saß auf einem ungehörnten Fuchshengst, dessen Roßpanzer rötlich schillerte. Die Rüstung der Gestalt leuchtete im Mondschein – sie war aus schwerem Messing. Ein glänzender Messinghelm, praktisch und ohne Zierrat, ein glänzender Brustpanzer, ebenfalls aus Messing, genau wie die Beinschienen. Von Kopf bis Fuß steckte die Gestalt in Messing. Die Handschuhe und Stiefel waren aus Messingscheiben auf Leder genäht. Der Gürtel war eine Messingkette, die von einer schweren Messingschnalle zusammengehalten wurde, und vom Gürtel hing eine Scheide aus Messing. Nur in dieser Scheide steckte etwas, das nicht aus Messing, sondern gutem Stahl war: ein Breitschwert. Und da war das Gesicht – die goldbraunen Augen, die ernst und streng blickten, der dichte rötliche Schnurrbart, die rötlichen Brauen, der Bronze ton der Haut.
    »Graf Brass!« keuchte Falkenmond. Dann schloss er die Lippen und musterte eingehend die Gestalt, denn er hatte Graf Brass ganz sicher tot auf dem Schlachtfeld gesehen.
    Etwas war anders an diesem Mann, und Falkenmond brauchte nicht lange, um diesen Unterschied zu erkennen und zu wissen, dass Czernik die reine Wahrheit gesprochen hatte, als er behauptete, es sei der gleiche Graf Brass, an dessen Seite er die Dnjepr-Überquerung erzwungen hatte. Denn dieser Graf Brass vor ihm war zumindest zwanzig Jahre jünger als der, den Falkenmond kennen gelernt hatte, als er vor sieben oder acht Jahren zum ersten Mal die Kamarg besuchte.
    Die Augen funkelten, und der große Kopf, scheinbar ganz aus festem Messing, drehte sich ein wenig, um Falkenmond direkt anzusehen.
    »Seid Ihr es?« dröhnte die tiefe Stimme Graf Brass’. »Meine Nemesis?«
    »Nemesis?« Falkenmond lachte bitter. »Ich dachte, Ihr seid meine, Graf Brass!«
    »Ich bin verwirrt.« Die Stimme war zweifellos die des Grafen, doch sie klang irgendwie nicht ganz wach. Auch seine Augen richteten sich nicht mit der gleichen Festigkeit auf Falkenmond, wie dieser es gewohnt war.
    »Was seid Ihr?« fragte Falkenmond. »Was führt Euch in die Kamarg?«
    »Mein Tod. Ich bin tot, nicht wahr?«
    »Der Graf Brass, den ich kannte, ist tot. Er fiel in der Schlacht von Londra vor fünf Jahren. Ich hörte, dass man mich seines Todes beschuldigte.«
    »So seid Ihr der, den man Falkenmond von Köln nennt?«
    »Ich bin Dorian Falkenmond, Herzog von Köln, das stimmt.«
    »Dann muss ich Euch wohl töten«, erklärte dieser Graf Brass, aber seine Worte kamen nur widerwillig.
    Obgleich sich alles in seinem Kopf zu drehen schien, sah Falkenmond doch, dass Graf Brass (oder wer auch immer dieses Wesen sein mochte), so unsicher war wie er selbst in diesem Augenblick. Gewiss war nur, während er, Falkenmond, Graf Brass erkannt hatte, sich der andere nicht bewusst gewesen war, wer ihm gegenüberstand.
    »Weshalb müsst Ihr mich töten?

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